Bayern autonom: Demo–Polizei geplant

■ Verhaftung wegen Mord–Verdacht / Bundestag debattiert Startbahn–Ereignisse

Von K.P. Klingelschmitt

Frankfurt/Bonn (taz) - Mit dem Beschluß, unverzüglich Polizei–Sondereinheiten zur Bekämpfung von „Gewalttätern“ aufzustellen, ist Bayern gestern vorgeprescht. Staatssekretär Gauweiler erklärte nach einer Konferenz der bayerischen Polizeipräsidenten und des Verfassungsschutzes, die Gruppen aus speziell geschützten Polizisten sollten besonders zur Festnahme von Gewalttätern geschult werden. Zwei „Einsatzgruppen“, eine für Nord– und eine für Südbayern mit insgesamt 400 bis 500 Beamten seien vorgesehen. Im Hinblick auf die für Freitag vorgesehene Innenministerkonferenz sagte Gauweiler, Bayern werde nicht nur ein verschärftes Vermummungsverbot, sondern auch die Rückkehr zum alten Landfriedensbruch–Tatbestand beantragen. In Bonn trat gestern der Bundestag zu einer Sondersitzung wegen der Vorfälle an der Startbahn West zusammen. In mittlerweile routinierter Betroffenheit hörten die Abgeordneten die Erklärung von „Bestürzung und Trauer“ aus dem Mund ihres Präsidenten Jenninger. Hessens Ministerpräsident Wallmann wiederholte seine Forderung nach einer Verschärfung des Vermummungsverbots, dem sich CSU–Zimmermann anschloß. Die FDP wollte sich weiterhin dazu nicht festlegen. Waltraut Schoppe von den Grünen forderte die nicht anwesenden Autonomen auf: „Laßt Eure Zwillen und Helme zu Hause, reißt Eure Gesichtsmasken runter!“ SPD wie Grüne lehnten eine Verschärfung des Demonstrationsrechts ab. Drei Tage nach dem Mord an zwei Polizeibeamten an der Startbahn West des Rhein–Main–Flughafens hatten Beamte des Landeskriminalamtes am Mittwoch abend einen „guten Bekannten“ (Bundesanwaltschaft) des inzwischen in Untersuchungshaft genommenen Tatverdächtigen Andreas Eichler in Frankfurt festgenommen. Er wurde am Abend wieder auf freien Fuß gesetzt.Damit ist jetzt nur noch eine Person in Haft: Eichler, bei dem die Tatwaffe gefunden worden war. Gegen ihn wird wegen Mord und Mordversuch ermittelt. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar u. Berichte S. 4 Alle anderen festgenommenen Personen seien dagegen wieder auf freiem Fuße. Gegen Andreas Eichler hat der zuständige Haftrichter am späten Mittwochabend Haftbefehl wegen des Verdachts auf Mord in zwei Fällen und Mordversuch in zwei weiteren Fällen erlassen. Nach Informationen der taz soll es sich bei dem gestern Festgenommenen um einen 30jährigen Startbahngegner aus Frankfurt handeln. Der Mann wurde mit einem Festnahmebeschluß auf Mittäterschaft am Mittwochabend in das Polizeipräsidium gebracht. Seine Rechtsanwältin bezeichnete den Festnahmebeschluß gegenüber der taz als „an den Haaren herbeigezogen“, denn ihr Man dant sei am Montag nicht an der Startbahn gewesen. Wie BAW–Sprecher Prechtel mitteilte, stehe inzwischen fest, daß - neben dem Polizeihauptkommissar Eichhöfer(44) - auch der junge Polizeibeamte Thorsten Schwalm(23) mit der bei Eichler gefundenen Waffe erschossen worden sei. Prechtel: „Das haben die ballistischen und die anderen kriminaltechnischen Untersuchungen eindeutig ergeben.“ Auch die Kugel, die einem weiteren Polizeibeamten in die Brust drang, stammte aus der Sig–Saur– Pistole, Kaliber 9 Millimeter. Der Beamte, der zwei Tage lang in Lebensgefahr schwebte, ist - nach einer geglückten Operation - inzwischen „über den Berg“, wie der behandelnde Arzt gestern mitteilte. Dagegen ist das Projektil, das einen vierten Polizeibeamten verletzte, noch immer nicht gefunden worden. Die Waffe, mit der Eichhöfer und Schwalm erschossen wurden, ist ein Schweizer Fabrikat. Die Sig–Saur Pistole, die in der Bundesrepublik die „normale“ Polizeipistole ist und hier unter der Bezeichnung P 225 oder P 6 gehandelt wird, hat Platz für ein Magazin mit neun Schuß Bleirundkopf–, Teilmantel– oder Vollmantelmunition. Prechtel bestätigte gegenüber der taz noch einmal, daß die Tatwaffe im Rucksack des tatverdächtigen Eichler gefunden worden sei, bei der Festnahme Eichlers in der Wohnung seiner Freundin im Frankfurter Stadtteil Niederrad. Der 33jährige Eichler wird von Bekannten als „unpolitisch“ charakterisiert. Er habe „brav und bürgerlich“ gelebt und sei erst vor wenigen Jahren „zur Bewegung“ gestoßen: „Der hatte kein einziges politisches Buch in seiner Wohnung.“ Die Bundesanwaltschaft geht allerdings davon aus, daß die Ermordung der beiden Polizeibeamten „nicht unbedingt das Werk eines Einzeltäters“ gewesen sei. Eichler müsse zwar als „Kernfigur“ angesehen werden, doch das besage noch nicht, daß nicht mehrere Personen an der Tat beteiligt gewesen sein könnten. Prechtel: „Wir wissen, daß Eichler in starkem Maß in die Szene eingebunden war.“ Im Verlauf des Mittwoch durchsuchten Polizeibeamte erneut mehrere Wohnungen im Rhein–Main–Gebiet, u.a. in Rüsselsheim und in Frankfurt. Auch das Libertäre Zentrum im Gallus war erneut Ziel der Fahnder. Dort wurden u.a. Alarmlisten beschlagnahmt, mit denen im Falle der Räumung eines besetzten Hauses in der „Au“ der „Widerstand“ organisiert werden sollte. Gleichfalls durchsucht wurde eine Frankfurter Druckerei.