Die Arena nicht kampflos verlassen

■ Ein Gespräch mit dem neuen Generaldirektor der UNESCO, dem Spanier Federico Mayor, über multilaterale Zusammenarbeit, die Effektivität dieser Organisation und die Austritte zahlungsstarker Mitglieder / UNESCO soll Katalysator–Funktion einnehmen

Am Samstag wurde der spanische Biochemiker Federico Mayor Zaragoza von der Generalversammlung der UNESCO als neuer Generaldirektor gewählt. Nachdem sein Vorgänger und ärgster Konkurrent, der seit 1974 amtierende Senegalese Amadou Mahtar Mbow, ihm öffentlich seine Unterstützung zugesagt hatte, schwenkten auch diejenigen afrikanischen und asiatischen Länder auf Mayor–Kurs ein, die einen Kandidaten ihrer Ländergruppe bevorzugt hätten. Schließlich ist Mayor der vierte Europäer unter bisher acht Generaldirektoren, nur sieben von insgesamt 158 Länderdelegationen sprachen sich gegen ihn aus. taz: Herr Mayor, die Diskussion um die Wahl eines neuen Generaldirektors hat wieder einmal offenbart, wie tief die multilaterale Zusammenarbeit gegenwärtig in der Krise steckt. Sehen Sie einen Ausweg daraus? Mayor: Die Frage nach der multilateralen Zusammenarbeit berührt die Substanz der UNESCO. Besonders die Vielzahl armer Länder benötigt dieses Bündnis, um international überhaupt eine Rolle spielen zu können. Es stimmt leider, daß die Großmächte nur allzu oft meinen, die restlichen Länder müßten sich in den Rahmen bilateraler Beziehungen einfügen. Ich bin dagegen der Überzeugung, daß das System der Vereinigten Nationen am ehesten dazu geeignet ist, den Weg zum Frieden, zu größerer Freiheit und Gerechtigkeit zu finden. Diese Hoffnung scheint mir heute be rechtigter als noch vor einigen Jahren, da zum ersten Mal ernsthaft versucht wird, den Rüstungswettlauf zu unterbrechen. In diesem Zusammenhang erhält auch die multilaterale Zusammenarbeit eine neue Bedeutung. Die Umweltprogramme der UNESCO erhielten die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten, was selten vorkommt. Was gedenken Sie auf diesem Gebiet fortan zu tun? Wenn wir von Frieden sprechen, darf damit nicht nur der Frieden zwischen Menschen und Staaten gemeint sein. Als Naturwissenschaftler weise ich immer wieder darauf hin, daß der Einklang des Menschen mit seiner Umgebung ebenso unerläßlich ist. Auf der anderen Seite werden diese Bedürfnisse ständig von wirtschaftlichen Interessen durchkreuzt, welche die täglich wachsende Bedrohung der Biosphäre völlig außer acht lassen. Deshalb werde ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln die Umweltprogramme der UNESCO intensivieren. Mit dem weltweiten Programm Der Mensch und die Biosphäre, das auch ozeanographische und hydrologische Projekte umfaßt, hat die UNESCO schon vor 15 Jahren einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternommen. Die auf der Generalkonferenz anwesenden Delegierten und Minister haben mir für die Weiterführung des Programmes bereits volle Unterstützung zugesagt. Ihrer Meinung nach muß die UNESCO leistungsfähiger werden. Wie soll das gehen, ohne endlich auch ihr Budget zu erhöhen, wo seit dem Austritt der USA, Großbritanniens und Singapurs (1984 bzw. 1985) jährlich 165 Millionen US–Dollar fehlen? Damit kommt heutzutage keine größere Universität mehr aus. Der UNESCO–Haushalt ist natürlich lächerlich im Vergleich zu der enormen Nachfrage, die in den Bereichen Erziehung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation weltweit besteht. Es gibt aber noch Mittel außerhalb des Bud gets, die sicherlich erhöht werden, wenn die UNESCO noch stärker die Funktion eines Katalysators einnimmt und neue Projekte, die die Geberländer interessieren, ausarbeitet. Für die weltweiten Probleme benötigen wir heutzutage auch einen globalen Ansatz, der lokale und regionale Lösungen ermöglicht. Nur so könne wir die bestehenden Ungleichheiten aus der Welt schaffen. Eines Ihrer erklärten Ziele ist, die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Singapur zum Widereintritt in die UNESCO zu bewegen. Wollen Sie einen Wiedereintritt egal um welchen Preis? Nein, nicht um jeden Preis. Doch auch als neuer Generaldirektor der UNESCO, der die Interessen aller Mitgliedsstaaten vertreten muß, bleibe ich Spanier - und als solcher kann ich nicht verstehen, daß jemand die Arena kampflos verläßt, auch wenn er keinen Stierkampf mag. Interview: Michael Thoss