Noch ein Radikal–Verfahren

■ Zum zweiten Mal steht ein „Handverkäufer“ der Zeitschrift Radikal vor Gericht / Anklage ist eine Kopie aus dem Frankfurter Verfahren / Lediglich der Name des Angeklagten wurde ausgetauscht

Von Henrich Fenner

Schleswig (taz) - Gericht, Verteidigung und Presse rückten bis auf Tuchfühlung zusammen: Die rund 100 Zuhörer sollte im Rotationsprinzip bei dem Prozeß um die Verteilung der Zeitschrift Radikal vor dem zweiten Strafsenat des Oberlandesgericht Schleswig zuhören können. Bei einer Hausdurchsuchung im August vergangenen Jahres waren in der Wohngemeinschaft des Angeklagten Horst–Dieter L. (24) aus Rendsburg insgesamt 13 Exemplare der Radikal Nummer 132 beschlagnahmt worden. Wenige Monate später erfolgte Anklage: Er soll durch die Verbreitung der Radikal für die Ziele terroristischer Vereinigungen geworben haben. Dabei handelte es sich um eine Kopie der Anklageschrift aus einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. Lediglich der Name wurde ausgetauscht, wie Staatsanwalt Hoffmann auf Befragen der Verteidigung einräumte. Das Verfahren gegen den gelernten Koch ist das zweite einer Serie, die die Bundesanwaltschaft im letzten Jahr eingeleitet hatte. Damals war im Paketamt Bielefeld in „acht Umzugskartons“ ein Teil der Auflage der Radikal beschlagnahmt worden. Die Adressaten des zweiten Teils der Lieferung fand man über 89 Paketkarten heraus. Nachdem im Mai in Frankfurt ein sogenannter „Handverkäufer“ zu sieben Monaten Bewährungsstrafe verurteilt wurde, ist dies nun das zweite Verfahren. Der Angeklagte hat sich, außer zur Person, zu dem Vorwurf nicht geäußert. Statt dessen erklärte sein Anwalt Thode, daß die „wahre Anklage das Verbot der Auseinandersetzung der radikalen und militanten Linken beabsichtige“, und dies „stellvertretend am Symbol Radikal geschieht“.