„Die Straße ist für die Armee sehr nützlich...“

■ Ein geplantes deutsches Infrastrukturprojekt auf den Philippinen soll der Counterinsurgency dienen / Ein anderes Projektder Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ ist in einem Militärcamp untergebracht / Die verantwortlichen bundesdeutschen Stellen waschen ihre Hände in Unschuld und sehen keinen Mißbrauch zu militärischen Zwecken / Verhandlungen stehen an / Region durch Aktionen von Vigilantengruppen terrorisiert

Von Mathias Erb–Sommer

Manila/Bonn (taz) - Seit Anfang dieses Jahres haben die Philippinen einen neuen Wallfahrtsort: die Halbinsel Bondoc, 170 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Manila. War die wirtschaftlich vernachlässigte Region bislang nur als wichtiges Rückzugsgebiet für die Guerilleros von der linken „New Peoples Army“ (NPA) bekannt, so vergeht in letzter Zeit kaum ein Monat, in dem nicht deutsche Diplomaten oder Entwicklungshilfeexperten aus der BRD der abgelegenen Gegend einen Besuch abstatten. Der Grund: Hier wird in den nächsten Jahren mit deutscher Hilfe ein großes ländliches Infrastrukturprojekt errichtet. Bei den Ende November in Manila beginnenden Regierungsverhandlungen soll das bisher nur mündlich bekundete deutsche Interesse in Bares verwandelt werden. Aber das Vorhaben, so vermuten kritische Beobachter schon jetzt, wird der Armee weit mehr als der betroffenen Bevölkerung nutzen. Dubiose Akteure Lope Ibarrola aus der Stadt Lucena ist ein Kenner der Probleme. Er ist Funktionär der konservativen „Quezon Federation of Cooperatives“, einer Kreditgenossenschaft, die vom geplanten Projekt profitieren soll. Sie stellt einen Zusammenschluß von Kreditkooperativen dar, die nach dem 5/6–System arbeiten: fünf Pesos am Montag geliehen, sechs am Samstag zurückzahlen. Das sind 20 Prozent Wochenzins. Die Genossenschaft gilt offiziell als einzig ernstzunehmendes regierungsunabhängiges Projekt der Region. Obwohl unser Besuch unangemeldet erfolgt und Herr Ibarrola irritiert ist, daß wir etwas über das „deutsche Entwicklungsprojekt“ erfahren wollen, ohne einer bestimmten Organisation anzugehören, nimmt er sich viel Zeit für uns. „Ja“, sagt der 5/6–Banker, „mit zwei deutschen Delegationen habe ich über das Projekt schon gesprochen.“ Und überhaupt habe das Thema schon erhebliche Kreise gezogen. So habe z.B. ein Abgeordneter seinen Wahlkampf mit dem zu erwartenden Straßenbau erfolgreich angereichert. Zur Zeit verhandele die Kreditgenossenschaft mit Misereor. 500.000 Pesos hätten sie als Kapitalspritze und für Ausbildungsprogramme beantragt. Die große Hoffnung ist Stephan Pfuhl, der Philippinen– Referent von Misereor. „Er war vor zwei Monaten hier.“ Misereor arbeitet dort in Abstimmung mit dem Bonner Entwicklungsministerium (BMZ) für „eine stärkere örtliche Unterstützung“ des Projekts und wird vorort voraussichtlich die einzige deutsche Nicht–Regierungsorga nisation (NGO) sein. Stephan Pfuhl bezeichnet sich selbst als Mitglied von „Opus Dei“, der direkt dem Papst unterstellten Priester– und Laienorganisation, die über erheblichen Einfluß auf den Philippinen verfügt und wegen ihrer Machenschaften z.B. zu Francos Zeiten in Spanien berüchtigt ist. d.s.. Sein Begleiter bei der Bondoc– Tour im Sommer war der Direktor des Instituts für Wirtschaftsforschung an der konservativen Universität Santo Thomas in Manila, Dr. Ngo Huy Liem. Liem, der als junger Vietnamese in der BRD studierte, hatte bereits zu Marcos Zeiten zusammen mit den Universitäten Bonn, Göttingen, Gießen und Freiburg eine sozio–ökonomische Entwicklungsstudie über Bondoc erarbeitet. Nun wurde er von der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit; Ausführerin von Aufträgen des BMZ) beauftragt, die philippinische Partnerorganisationen auszuwählen. „Eine Auswahl nach politischen Kriterien findet nicht statt. Ich unterstelle mal“, so hatte GTZ–Koordinator Eberhard Pfuhl in Manila das Vertrauen in den Vietnamesen erläutert, „daß Liem die persönlich kennt und durch mehrere Gespräche meint beurteilen zu können, daß sie ein entsprechendes Potential haben.“ Schwierige Partnersuche Zwar sollten an diesem Projekt „alle Bevölkerungsgruppen“ und besonders die NGOs in Bondoc beteiligt werden. Doch dazu erklärt uns Ibarrola: „Außer den 17 Kreditkooperativen in der Quezon Federation gibt es auf Bondoc keine NGOs.“ Ähnlich unterrichtete Philippinen–Referent Reiner Krätsch (BMZ) am 3. Juni den Bundestagsausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Das Protokoll vermerkte: „Die Bereitschaft, mit NGOs verstärkt zusammenzuarbeiten, werde dadurch erschwert, daß es in dieser Region kaum tragfähige NGOs gebe.“ Über diese Einschätzung wundern sich allerdings die progressiven NGOs, die auf Bondoc durchaus aktiv sind. Gruppen wie der „National Council of Peoples Development“, das „Farmers Institute“ und die größte Bauerngewerkschaft des Landes fühlen sich ausgebootet. Sie befürchten, daß das „ländliche Infrastrukturprojekt“ in erster Linie eine Verbesserung der militärischen Infrastruktur zum Ziel habe, die der Armee bei der Zerschlagung der NPA–Guerilla behilflich sein wird. Hatten sich doch - sonst selten einig - die Bonner Abgeordneten Dr. Winfried Pinger (CDU), Dieter Schanz (SPD) und Ludger Volmer (Grüne) nach Gesprächen mit der Bauerngewerkschaft im Juli für eine Beteiligung progressiver Organisationen ausgesprochen. Der in Manila sitzende GTZ– Manager Eberhard Pfuhl versucht zwar abzuwiegeln und weist darauf hin, daß es sich um einen „völlig neuen Ansatz“ handele, bei dem die Bevölkerung bei der Planung und Durchführung von Straßenbau und Trinkwasserversorgung beteiligt wird (er nennt dies „vertrauensbildende Maßnahmen“). Doch der Direktor der Kooperative Lope Ibarrola erklärt unverblümt: „Wir durchdringen NPA– Gebiete, indem wir dort neue Kreditkooperativen gründen.“ Wieviel von den zunächst auf drei Jahre vorgesehenen 40 Millionen Mark aus dem BMZ–Etat für diese „vertrauensbildende Maßnahme“ abfallen wird, weiß er allerdings nicht. Audienz beim Bürgermeister Der Ort Catanauan, von deutschen Bondoc–Planern häufig frequentiert, liegt etwa 30 Kilometer südlich von Lucena. Über die Küstenstraße - in der Tat streckenweise eher ein Feldweg - erreichen wir die Kleinstadt nach Einbruch der Dunkelheit. Im „Augustina“, dem einzigen Hotel am Platze, empfängt uns Pepito Cabangon, Farmer und Besitzer des Hotels, unaufgefordert mit Einzelheiten über die letzte „german mission“. Die Deutschen waren gerade vor 14 Tagen in seinen etwas schmuddeligen Zimmern abgestiegen. Er zählt die ihm erinnerlichen Teilnehmer auf: „Dr. Liem, Mr. Bassow, Mr. Duckwitz, Mr. Fischer, Dr. Schäfer“. Es sei bereits die fünfte „german mission“ gewesen. Zusätzlich zum Straßenbau sollen Schulen und Bewässerungsprojekte gebaut und speziell in Catanauan der Hafen ausgebaut werden. Dabei, so hofft der Hotelier wohl, wird sicher eine ganze Reihe gutzahlender Gäste im Augustina absteigen. Pepito besorgt uns am nächsten Morgen eine Audienz beim Bürgermeister Gregorio Orfanel. Das Gemeindeoberhaupt schildert uns bedächtig, aber kettenrauchend, in Zahlen und Fakten zunächst die landwirtschaftlichen Schwierigkeiten. In der Regenzeit ginge ein Drittel des Verkaufspreises der Copra, eines der Hauptprodukte der Bauern, für den Transport drauf. Deshalb hätten sie bei den „german missions“ immer wieder auf Straßenbau gedrängt, sogenannte „farm–to–market–roads“. Ein weiteres Problem sei, daß seit vielen Jahren über 90 Prozent des hier konsumierten Reises auswärts gekauft werden muß. Eine 150 Hektar große Anbaufläche in Ortsnähe, die um die 100 Kleinbauern gehöre, könne durch ein neues Bewässerungssystem statt einer Ernte pro Jahr drei abwerfen. Doch der Straßenbau speziell in den Bergen genießt Priorität. Dabei interpretiert der in Bondoc einflußreiche Orfanel die „Abstimmung mit der Bevölkerung“ an ders als die GTZ–Planer: „Die Bevölkerung soll an der Planung und beim Bau der Straßen nicht beteiligt werden, das geht mit Maschinen viel besser. Die Leute verzichten gern auf 30 Pesos am Tag, wenn sie nur wissen, daß die Straße gut ist. Auch die Deutschen sind sich wohl bewußt, daß die geplanten Straßen der philippinischen Armee im Kampf gegen die Guerilla sehr nützlich sind.“ Arbeit und Nutzen wird der Straßenbau der Bevölkerung also nicht bringen. Dafür freuen sich andere: Diplomatische Kreise in Manila versichern, daß der jetzige Chef des Geheimdienstes, General Caniesu, ehemaliger Stabschef der Armee, sowie der General Padillia, vormals Regionalkommandeur der Provinz Quezon mit Sitz in Lucena, bei der Projektplanung zu Rate gezogen wurden. BMZ– Referent Krütsch ist dies allerdings nach eigenen Angaben „unbekannt“. Kartographie der Guerillagebiete Noch aus einem anderen GTZ– Projekt werden die Militärs für ihre Aktivitäten auf Bondoc zu sätzlichen Nutzen ziehen. Seit etwa acht Jahren fordert die GTZ auf den Philippinen ein Kartographieprojekt. Marcos unterstellte es der Leitung seines damaligen Vertrauten General Ver. Mit deutschen Geldern wurde ein Kartographiezentrum erbaut, die Luftaufnahmegeräte und Druckmaschinen wurden aus der Bundesrepublik geliefert, das Personal von der GTZ ausgebildet. Der Clou: Das Projekt liegt mitten im Fort Bonifacio, einem Heeresstützpunkt der philippinischen Armee in der Nähe von Manila. Gegenüber ist die Lufwaffe in der Air Base Villa Mor stationiert. Nach der diesjährigen Regenzeit soll mit der Lufterfassung des ersten Gebietes - ausgerechnet auf der Bondoc–Halbinsel - begonnen werden. So lassen sich die dortigen Guerilla–Stützpunkte gut ausmachen. Catanauans Bürgermeister läßt keinen Zweifel daran, wie mit den Rebellen umzugehen ist. „Nein“, sagt er offenherzig, „Kompromisse mit der NPA gibt es nicht. Das sind knallharte Kommunisten, Ideologen, die gegen jede Entwicklung sind. Da hilft nur die militärische Lösung.“ Terror der Milizen Das Ziel, die NPA zu zerschlagen, teilt das Stadtoberhaupt mit der in Bondoc operierenden Armee. Wie in anderen Landesteilen geht sie dabei auch gegen die Zivilbevölkerung rücksichtslos vor. So zählt die Menschenrechtsorganisation „Task Force Detainees“ in ihrem letzten Bericht über Bondoc vom 28. August des Jahres zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung auf, die von der Armee oder rechtsradikalen Bürgerwehren (sogenannten Vigilantes) terrorisiert wurden. Der Bericht nennt vor allem die Gegend um Lopez als Aktionsfeld der Vigilantengruppe „Solo Brothers“. Sie besteht inzwischen aus etwa 60 schwerbewaffneten, mit Sprechfunk ausgerüsteten Männern, benannt nach ihren Anführern, den Brüdern Rollio und Ruben Solo. Authorisiert durch den Bürgermeister der Provinzhauptstadt Lopez und offen unterstützt vom Militär massakrieren, foltern und kidnappen sie Zivilisten. Innerhalb einer Woche verließen z.B. 82 Familien ihr Dorf San Andres, nachdem dort am 7. Juni 1987 zwei Mitglieder der Solo Brothers von NPAlern gefangen genommen wurden. Daraufhin erschien zwei Tage später Leutnant Tibayan vom 49. Infanterie–Batalllion gemeinsam mit den Solo Brothers. Er teilte den Dorfbewohnern mit, wenn die Geiseln der NPA nicht wieder lebend auftauchten, würde er das gesamte Dorf mit Bomben pulverisieren. Vier Wochen später verschleppten Mitglieder der Solo Brothers Cristobal Padua, den sie als NPA– Sympathisanten verdächtigten. Seine zerschossene Leiche wurde kurz darauf in der Nähe des Dorfes Magallanes gefunden. Trotz des Terrors und der vielen Fragezeichen „steht“ offiziellen Angaben zufolge die deutsche Zusage zum Infrastrukturprojekt Bondoc, wenn BMZ–Referent Krätsch am 15. November zur Projektbesichtigung startet. Warum auch nicht? Denn, so Krätsch: „Wenn das eindeutig wäre, daß wir z.B. - was nahe liegt in einer solchen Situation - mißbraucht würden für militärische Zwecke, dann würden wir auch aufhören, gar keine Frage.“