Freispruch im Radikal–Verfahren

■ Schleswiger Oberlandesgericht sprach Handverkäufer der Radikal aus Mangel an Beweisen frei

Schleswig (taz) - Mit einem Freispruch endete vor dem zweiten Strafsenat des Schleswiger Oberlandesgerichtes der Prozeß gegen Horst–Dieter L. aus Rendsburg, wegen Verbreitung der Zeitschrift Radikal. Doch dieser Freispruch, so machte der Senatsvorsitzende Ehrich deutlich, war kein Plädoyer für die Pressefreiheit in Sachen Radikal. Sie sei vielmehr eine schlichte juristische Notwendigkeit. Weder das Lesen noch die Verbreitung der inkriminierten Nummer 132 konnte dem Angeklagten nachgewiesen werden. Nach dem minutenlangen Jubel der Zuhörer im überfüllten Gerichtssaal nannte es der Vorsitzende „unerträglich“, in welcher Weise hier einem Mord applaudiert werde. Nach seiner Auffassung sei auch die Verbreitung der Radikal schon eine Werbung für eine terroristische Vereinigung (§129a, StGB). Kern der Anklage war ein kurzer Text auf der Heftrückseite, in dem es unter anderem hieß: „Wir grüssen die Genossen und Genossinnen von der Stadtguerilla, die den Siemensmanager Beckurts liquidiert haben. Hier hat der revolutionäre Kampf seine Kraft bewiesen ...“ Staatsanwalt Hoffmann meinte aus einem „zugegebenermaßen komplizierten Gedankengang“ von dem „radikalen Inhalt“ der Zeitschrift auf ein „besonderes Leseinteresse“ bei den Beziehern der Radikal schließen zu können. Ein solcher Text könne daher als bekannt unterstellt werden. Verteidiger Thode wandte sich gegen den Schluß, wonach ein Radikal–Verkäufer automatisch für die RAF werben wolle. Eine Verbreitung erfolge auch in kritischer Unterstützung, da Radikal ein Diskussionsforum der radikalen und militanten Linken sei. Nach der Beschlagnahme von insgesamt 89 Paketkarten hatte die Bundesanwaltschaft im letzten Jahr gegen mutmaßliche Verteiler insgesamt 76 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Henrich Fenner