K O M M E N T A R Grenzen werden sichtbar

■ Zur Absetzung von Boris Jelzin

Der Sturz des Moskauer Parteichefs Jelzin ist ein schlechtes Zeichen für die Fortsetzung einer entschiedenen Reformpolitik. Gewiß wird jetzt argumentiert werden, Jelzin habe mit seiner offenen Attacke gegen den Parteiapparat und den zweiten Mann in der Partei, Jegor Ligatschow, auf dem letzten ZK–Plenum taktisch unklug gehandelt. Das wird man kaum bestreiten können, aber gerade darin liegt das Problem. Von allen Führungskadern ist Jelzin - außer Gorbatschow Wenn der Moskauer Parteiorganisation als Begründung „große Mängel in der Führung“ vorgeworfen werden, so muß man sich schon fragen, ob damit immer noch vorhandene Versorgungsmängel gemeint sind, oder ob gemeint ist, daß er diese Mängel etwa durch Abschaffung von Sonderläden auch die Funktionäre spüren ließ. Da es für solche innerparteilichen Auseinandersetzungen immer noch keine Öffentlichkeit gibt, wird in Moskau spekuliert werden. Es steht zu befürchten, daß die Lehre, die die meisten aus Jelzins Sturz ziehen werden, die sein wird - auch unter dem Zeichen von Perestroika und Glasnost -, daß es nicht ratsam ist, sich mit Höhergestellten anzulegen. Wie aber soll man mit einer solchen Bewußtseinslage Passivität überwinden und „radikale Reformen“ durchsetzen? Walter Süß 4INLAND AKTUELLFREITAG, 13/11/87