Fischer hadert mit „Fundi–Kadern“

■ Joschka Fischer verlangt: Bundesvorstandsmitglied soll zurücktreten / Entscheidung am 8. Dezember?

Aus Bonn Ursel Sieber

Der Konflikt zwischen Realos und Fundis eskaliert. Am Freitag war der hessische Fraktionsvorsitzende der Grünen, Joschka Fischer, dem fundi–beherrschten Bundesvorstand vor, in ihm habe „die alte Kadermentalität des Kommunistischen Bundes, das sektiererische Verratsgeschrei Einzug gehalten“. Der hessische Landesvorstand verlangte den Rücktritt des Auslandsreferenten im Bundesvorstand, Jürgen Maier. Er hatte mit seinen Attacken gegen die Israel–Reisenden Schily, Schoppe und Wetzel den jüngsten Konflikt mit ausgelöst. Fischer warf Teilen den Grünen eine „politische Kopf–ab– Mentalität“ vor. Er könne Schily mit seinen Zweifeln an den Grünen gut verstehen. Er sehe „zwei Gefahren des Selbstmords“ für die Grünen: die Spaltung oder eine Fortsetzung der Politik des Bundesvorstandes. Im Gegenzug warf die Vorstandssprecherin Jutta Ditfurth den Realos in der Bundestagsfraktion vor, sie wollten den Vorstand stürzen. Wie es in der grünen Fraktion in Bonn weitergehen wird, bleibt weiterhin offen. Die nicht–öffentlichen Sitzungen der Realos und der Ökosozialisten endeten am Donnerstag abend ohne greifbare Ergebnisse. Ursprünglich sollte ein Antrag formuliert werden, um in einer Sondersitzung der Fraktion am 8. Dezember verschiedene Fragen „zu klären“: Fortsetzung auf Seite 2 das Staatsverständis sowie die Haltung der Fraktion zur Gewalt, Sicherheits– und ökologischer Reformpolitik. Diese Forderung geht auf Otto Schily zurück. Nur damit habe man Schily davon abbringen können, seinen Austritt aus der Fraktion weiter anzudrohen, sagte ein Teilnehmer. Der Antrag kam am Donnerstag allerdings nicht zustande, und es ist bis heute unklar, wer ihn verfas sen soll. Unklar ist auch, was passiert, falls der Realo–Antrag unterliegt. Schily hatte am Donnerstag betont, in diesem Falle komme „der Augenblick der Wahrheit“. Ein engerer Kreis der Realos schien gestern ebenfalls fest entschlossen, am 8.12. einen „Offenbarungseid“ herbeizuführen: So betonte gestern Christa Venegerts, Mitglied im Fraktionsvorstand, sie „möchte eine eindeutige Klärung zu bestimmten Fragen erhalten“. Über Konsequenzen wollte sie nicht sprechen, aber sicher sei, „daß es ohne Konsequenzen nicht ausgehen wird“. Der Flügel, der in der Abstimmung unterliege, müsse sich dann entsprechende Schritte überlegen. Dieses Ansinnen stößt allerdings auch bei den Teilen der Fraktion, die zu den „gemäßigten“ Realos gehören, auf großes Unverständnis: „Viele fühlen sich erpreßt“, meinte gestern Alfred Mechtersheimer, „weil man in einer Sitzung nicht einen Diskussionsprozeß entscheiden kann, für den man Monate braucht“. Schily dürfe durch Erpressung keinen Konsens herbeiführen, der dann ohnehin nicht „trägt“. Auch unter den Realos gebe man Otto Schily „eine gewisse Mitschuld an der verbalen Eskalation des Konflikts“, meinte Mechtersheimer. „Damit sind die Chancen gesunken, daß Otto Schily mit einer größeren Gruppe die Fraktion verläßt“. Auf dem Treffen der Ökosozialisten hieß es, die Spaltungs–Drohungen dürften nicht überschätzt werden. „Spaltung steht nicht an, weil es zahlenmäßig gar nicht geht“, meinte Regula Bott. Vielmehr zielten die Realos auf „eine bessere Geschlossenheit in den eigenen Reihen“, und es gehe darum, „die Linken an den Rand zu drängen“.