G A S T K O M M E N T A R Zeit der Masken

■ Die Hafenstraße und die Selbstbilder

In Hamburg kommt die Welt wieder in ihre brutale Ordnung. Innensenator Lange und die Polizei haben mit ihren „Maßnahmen“ die Phantasie der Hamburger fest im Griff. Die fünfeinhalbstündige Beratung des Koalitionsausschusses von SPD und FDP gebar in sieben knappen Sätzen keine Maus, sondern ein Monstrum: die Idee des hygienisch reinen, von allen gewalttätigen Existenzen gesäuberten Stadtteils. Was langfristig noch schlimmer ist: Das linke Weltbild der - trotz aller gewaltfreien Strategie - ewig ausgemachten Niederlage feiert traurige Urständ. An jeder Wand der Hafenstraße steht: Alles Lüge. Und die zu befürchtenden Märtyrer werden die Sieger der schwarzen Engel sein. Es ist nie zu spät für eine friedliche Lösung“, hatte Klaus von Dohnanyi gesagt. Selten hat ein deutscher Politiker einen klügeren Satz ausgesprochen. Und selten schneller fallen gelassen. Ist es eigentlich zuviel verlangt, daß ein Bürgermeister sich einmal höchstpersönlich in den zerbrechlichsten Teil seiner Stadt begibt? Aber es gibt keine „mündigen“ Politiker. Nein, sie können nicht mit den Leuten reden, sondern nur über sie. Wie ich das hasse: Immer den Unerschütterlichen mimen oder die Inkarnation des tief beleidigten Gutsherrenstaats! Dabei hat die halbe Republik mitgezittert um diese hauchdünne Chance der Widerlegung der herkömmlichen polarisierten und gewalttätigen Welt– und Feindbilder. Nichts aufregenderes als diese atemlose Spannung, als diese Das–kann–doch– nicht–wahr–sein–Chance einer dennoch friedlichen Lösung langsam am Sonnabend in den Medien hochkroch. Stündlich wuchs die Unterstützung für Dohnanyi auch in der bürgerlich/demokratisch/ liberal/kirchlichen Öffentlichkeit. Aber nicht darauf hat sich der Herr Bürgermeister gestützt, sondern er hängt im Hamburger Filz der rechten SPD, der ihn unter Garantie fallen lassen wird, wenn die Zeit der Masken vorbei ist. Hamburg liegt näher an Kiel, als manche meinen. Antje Vollmer, MdB Die Grünen