Atom–Connection auf dem Präsentierteller

■ Nachschlagwerk über den bundesdeutschen Atomfilz nennt Rösser und Reiter / Pressestellen: Direkt falsch sind die Angaben nicht

(taz) - „Wer mit Wem in Atomstaat und Großindustrie“, fragt und beantwortet ein neues Nachschlagwerk, das in diesen Tagen vom Verlag Zweitausendeins auf den Markt gebracht wird. Ihre besondere Brisanz erhält diese Veröffentlichung dadurch, daß hier erstmals alle diejenigen erfaßt werden, die im Nuklear–Netzwerk der Bundesrepublik Rang und Namen haben. 600 Menschen hat die „Arbeitsgruppe Atomindustrie“, die seit 1978 Industriestruktur und Konzernprofile der deutschen Energiewirtschaft erforscht, als harten Kern der Atomlobby ausgemacht. Nur wenige Frauen gehören zu diesem strahlenden Kreis, die meisten sind Männer, die einflußreichsten fast alle heute kurz vor der Pensionsgrenze. Die akribische Zusam menstellung aller verfügbaren Fakten über die beruflichen Werdegänge einer interessengruppen– und parteienübergreifenden Mafia liest sich als Reißer über die bundesrepublikanische Filzokratie. Die Autoren belegen ihre Angaben trotz sorgfältiger Recherchen mit dem Vorsichtzeichen „ohne Gewähr“, denn die betroffenen Organisationen, Firmen und Personen zeigten wenig Auskunftbereitschaft. Nachfragen der taz bei zuständigen Pressestellen deckten aber keine Falschangaben auf. Die Pressestelle des Bundesforschungsministeriums konnte nur bestätigen, daß Minister Riesenhuber an Patenten beteiligt ist, zwei davon im Nuklear–chemischen Bereich. Bei der Allianz– Zentrale in München wurden die Angaben über das Engagement des Konzerns als Schadensfall– Versicherer bei Kraftwerksstörfällen als „plausibel“ bezeichnet. Allerdings wies der Pressesprecher darauf hin, daß die lächerliche Rückstellungssumme von 22 Millionen DM für Schadensfälle nicht die Haftpflichtschäden enthalte. Bei Katastrophenfällen trete im Haftpflichtfall der gesamte „Atom–Pool“, die deutsche Kernreaktorversicherung in Wiesbaden, ein. Der Pressesprecher der Dresdener Bank fand es „schleierhaft“, wie die Autorengruppe seinen Vorstandsvorsitzenden zu einem „Atomtantiemen“–Millionär hochgerechnet habe. Er sehe allerdings auch nicht, daß die Dresdener auf diese Behauptungen reagieren werde, denn „Atomtantiemen“ sei ja sowieo keine nachvollziehbare Kategorie. Die anderen Zahlenangaben über seine Firma konnte er nur bestätigen. Nachdem die Auftragslage in der Atomindustrie schon seit längerem nicht nur stagniert, sondern rückläufig ist, seitdem geballter Bürgerprotest jedes Projekt zu einem Hindernisrennen mit äußerst ungewissem Ausgang macht, sieht die AG Atomindustrie Chancen für ein Ausstiegsszenario eigener Art: Mit möglichst viel öffentlichem Druck soll der Ausstieg der Verfilzten aus den Geldtöpfen der Atomindustrie erreicht werden. Georgia Tornow