: Lebenslänglich statt Todesstrafe für Chilenen
■ Carlos Garcia ist einer der 15 Chilenen, deren mögliche Aufnahme in der Bundesrepublik heftige Debatten auslöste / Bundesregierung sah keinen „aktuellen Handlungsbedarf“ / Urteil könnte Präzedenzfall für die übrigen 14 von der Todesstrafe Bedrohten sein
Von Thomas Schmid
Berlin (taz) - Ein chilenisches Gericht hat die Todesstrafe für Carlos Garcia in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt. Garcia ist einer von den 15 Chilenen, deren mögliche Aufnahme in der Bundesrepublik heftige Debatten und eine Koalitionskrise ausgelöst hatte. In Chile wird ihm die Ermordung von Oberst Roger Vergara im Juli 1980 angelastet. Der Mitbeschuldigte Victor Zuniga, ebenfalls zum Tod verurteilt, war 1985 bei einer Gefängnismeuterei erschossen worden. Garcias Anwalt wurde am Wochenende schriftlich mitgeteilt, daß sich das zuständige Kriegsgericht, in dem neben drei Militärrichtern zwei Zivilrichter sitzen, für eine Umwandlung der Todesstrafe ausgesprochen habe. Während der Gerichtspräsident und die drei Vertreter der Armee für To desstrafe plädierten, gab der Zivilrichter Alberto Chaigneau offenbar ein Minderheitsvotum ab. Bei fehlender Einstimmigkeit sieht das Gesetz die nächstniedrigere Strafe vor. Daß dieses Urteil in dritter und letzter Instanz vom Obersten Gerichtshof wieder zurückverwandelt wird, ist so gut wie ausgeschlossen. Auf jeden Fall könnte das Urteil vom Wochenende einen Präzedenzfall für die Verfahren der übrigen 14 von der Todesstrafe bedrohten Chilenen sein. Der Fall der Todeskandidaten hat in diesem Sommer hierzulande hohe Wellen geschlagen. Seit zwei Jahren schon fordern Exil– Chilenen und Solidaritätskomitees die Aufnahme der 15 Chilenen, die ausnahmslos dem unterworfen wurden, was der bayerische Ministerpräsident „unfeine Methoden“ nannte. Im Juli hatte sich Arbeitsminister Blüm nach einem Besuch in Santiago ebenfalls für Asyl ausgesprochen und fand bald die Unterstüztung von Außenminister Genscher und weiteren Spitzenpolitkern der FDP. Hessen und danach auch weitere Länder hatten sich zur Aufnahme bereit erklärt. Innenminister Zimmermann stellte sich allerdings quer und erklärte die 15 Gefangenen, die alle der „Bewegung der revolutionären Linken“ (MIR) angehören, für Terroristen. Seinem Votum kam insofern Bedeutung zu, daß Chilenen in der Bundesrepublik nur Asyl gewährt werden darf, wenn sie eine - zu Zeiten der sozialliberalen Koalition eingeführte - Sicherheitsüberprüfung bestehen. Am 7. August wurde die Koalitionskrise dann mit einem Kompromiß bereinigt: man wolle verhindern, daß die 15 Angeklagten zum Tode verurteilt und hingerichtet würden. Von einer Aufnahmebereitschaft der BRD war nicht mehr die Rede. Dafür versprach man, in Chile zu intervenieren, sobald „aktueller Handlungsbedarf“ bestehe. Wie weit die chilenischen Gesetze eine Ausweisung der 15 politischen Gefangenen erlauben, ist im übrigen umstritten. Aufgrund der Verfassung dürfen nur Personen ausgewiesen werden, die rechtskräftig verurteilt sind. Die übergangsbestimmungen dieser Verfassung ermöglichen allerdings auch eine Ausweisung schon vorher. Doch daß der chilenische Diktator - wollte er denn die 15 wirklich loswerden - an der Verfassung scheitern würde, darf füglich bezweifelt werden. Kommentar auf Seite 4
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