Politkrimi: Geheimwaffe „Ehrenwort“

Fest und sicher wie seit Wochen nicht bahnte sich der Hamburger Regierungschef Klaus von Dohnanyi (SPD) am Dienstag nachmittag um 14 Uhr 15 den Weg zum Mikrofonwald im prunkvollen Phönix–Saal des Hamburger Rathauses. Seine kurze Erklärung warf alle Prognosen über den Haufen: Er persönlich stellte der Hafenstraße ein dreistufiges hartes Ultimatum, als letzte Chance für eine friedliche Lösung. „Der Senat muß eine Erklärung des Bürgermeisters nicht billigen, ich habe ihn auch nicht darum gebeten“, erläuterte Dohnanyi. Im Klartext: Dohnanyi, der für dieses Ultimatum keine Mehrheit im Senat gefunden hätte, hatte einen Alleingang riskiert. Sein Pfand an die Adresse der Hafenstraße: das seit kurzem im Kurs stark gefallene Ehrenwort eines bundesdeutschen Länderchefs. Wenn die Hafenstraße seine Bedingungen erfüllt und der Senat, der allein unterschriftsberechtigt ist, anschließend trotzdem den Pachtvertrag nicht unterschreibt, wird Dohnanyi zurücktreten. Als die Hafenstraße am Dienstag abend Dohnanyis Linie folgt, ist die Sensation perfekt: Der gordische Knoten ist zerschlagen. In der Nacht zum Dienstag hatte es noch nicht danach ausgesehen. Seit Sonnabend, als Dohnanyi mit einem letzten Vertragsvorstoß im Koalitionsausschuß von SPD und FDP scheiterte, hatte sich die innenpolitische Situation verschärft. Als Montag abend auch noch der FDP–Landesvorstand auf Antrag seines Vorsitzenden Ingo von Münch eine Vertragslösung ablehnte, war klar: In keinem politischen Gremium der Hansestadt gibt es noch eine Mehrheit für eine Vertragslösung. Die für Dienstag vormittag anberaumte entscheidende Sitzung des Senats drohte zum Fiasko zu werden. Zwar hatte der mehrheitlich rechte SPD–Landesvorstand sich am Montag abend vorsichtig hinter Dohnanyi gestellt, hatte der SPD–Bundesvorsitzende Hans– Jochen Vogel durch energisches Eingreifen erreicht, daß die Räumungsriege innerhalb der SPD Klaus von Dohnanyi nicht von alleine stürzen würde - dennoch, das war nach wilden Telefonschlachten in der Nacht zum Dienstag klar, würde die Mehrheit der zehn SPD– und FDP–Senatoren, einer Vertragslösung nicht zustimmen. Zudem: Auch der Geheimplan Dohnanyis, den Vertrag mit der Hafenstraße notfalls im Alleingang zu entscheiden, war am späten Nachmittag von den Juristen im Hamburger Rathaus zerstört worden. Zwar räumen Landesverfassung und Senats–Geschäftsordnung die Möglichkeit ein, daß „der Präsident des Senats in Angelegenheiten, die für die allgemeine Staatspolitik von Bedeutung sind, die Bearbeitung selbst übernimmt“ - aber, so die juristischen Kommentare, dies gelte nur im Innenverhältnis des Senats, nicht für Vertragsabschlüsse mit Dritten. Gestärkt durch Hans–Jochen Vogel und Bundespräsident von Weizsäcker, der sich nach zuverlässigen Informationen am Dienstag vormittag telefonisch in die Senatssitzung im Sinne Dohnanyis einmischte, überrumpelte Dohnanyi seine SenatskollegInnen: Mit einer persönlichen Erklärung, die zwar diskutiert, aber nicht abgestimmt wurde, wandte sich Dohnanyi - und das erlaubt die Verfassung - politisch direkt an die Hafenstraße. Dohnanyis doppeltes Risiko: Würde ihm die Hafenstraße glauben? Und: Wird anschließend der Senat auch den Pachtvertrag unterzeichnen? Selbst Innensenator Lange, so berichtete Klaus von Dohnanyi nach der Sitzung vor der Presse, habe zugesichert, seinem Vorgehen nicht in den Rücken zu fallen. Dohnanyis Rücktrittsdrohung hatte und hat schweres politisches Gewicht: Der einzige realistische Ersatzmann der rechten Mehrheit innerhalb der SPD, Henning Voscherau, ist nicht Senatsmitglied. Um Stadtchef zu werden, müßte zunächst der Senat aufgelöst und ein neuer gewählt werden - ein angesichts des Zeitdrucks nicht praktikabler Weg. Der Ersatzmann innerhalb des Senats, Alfons Pawelczyk, wurde zwar von den Rechten ernsthaft diskutiert, zögerte aber, als die Parteilinke signalisierte, es am Fall Pawelczyk zum offenen Knall kommen zu lassen. So mußte die Räumungsmehrheit am Dienstag Dohnanyi zähneknirschend gewähren lassen, in der Hoffnung, die Hafenstraße werde sich den Ultimaten nicht fügen. Als gegen 17.30 Uhr die Hafenstraße Zustimmung signalisiert, atmet die Pro–Vertrags–Minderheit in der SPD tief durch. Und auch die FDP, so deutet sich an, wird an der Hafenstraße nicht die Koalition scheitern lassen. Florian Marten