Neuer Luftangriff auf iranisches AKW

■ Wiener Atomenergie–Agentur bestätigt radioaktives Inventar des Atomkraftwerks / Schon Anfang des Jahres von Einlagerung unterrichtet / Dennoch „keine Gefahr“ einer Verseuchung / Genscher bleibt in Bagdad moderat / TÜV Essen ganz privat in Buschehr

Berlin (taz/ap) - Die irakische Luftwaffe hat nach Angaben von Radio Teheran am Donnerstag zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen die Baustelle des Atomkraftwerks von Buschehr bombardiert. Dem ersten Angriff waren am Dienstag elf Menschen, darunter ein deutscher Ingenieur des TÜV Essen zum Opfer gefallen. Diesmal soll es keine Verluste gegeben haben. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) hat gestern bestätigt, daß in dem iranischen Atomkraftwerk bereits „radioaktives Material“ lagert. Die IAEA sei schon Anfang dieses Jahres über die Einlagerungen in Buschehr informiert worden, sagte der deutsche Botschafter bei der IAEA, Aurich. Wenn man von diesen Informationen und der darin mitgeteilten Qualität und Menge an radioaktiven Stoffen ausgehe, bestehe keine Gefahr einer radioaktiven Verseuchung. Konkrete Angaben Über das „nukleare Material“ verweigerte die IAEA. Nach dem internen Reglement könne nur der Iran selbst Auskunft geben. Der iranische Botschafter bei der IAEA, Musawi, wiederholte gegenüber der taz seine Warnung vor einem möglichen zweiten Tschernobyl durch die Angriffe des Irak. Auch Musawi machte keine Angaben über das angebliche radioaktive Inventar. Die iranische Botschaft in Bonn bestätigte demgegenüber auf Nachfrage die Vermutung, daß Brennelemente in Buschehr lagern. Falls tatsächlich „frische“ Uran–Brennelemente in Buschehr eingebunkert sind, bestünde keine Gefahr einer nuklearen Katastrophe. Uran–Brennelemente sind relativ ungefährlich und können keine Spaltprodukte freisetzen. Und eine nukleare Kettenreaktion ist auch durch einen Luftangriff schwerlich in Gang zu setzen. Politische Beobachter vermuten, daß der Iran mit seinen Alarmrufen „Politik macht“ und seine Anlage vor weiteren Luftangriffen schützen will. Die IAEA verlangte gestern vom Iran weitere Informationen über die Schäden in Buschehr. Die Behörde sei grundsätzlich zur Hilfe bereit und wolle auch ein Expertenteam entsenden. Nach bisherigen iranischen Angaben ist bei dem Luftangriff ein „Kontrollgebäude, nicht jedoch die gesamte Anlage“ zerstört worden. Außenminister Genscher hat gestern bei seinem Besuch in Bagdad lediglich „sein Bedauern“ über den Luftangriff des Irak ausgedrückt. Ein förmlicher Protest gegen den Luftangriff, der die UNO–Konvention zum Schutz von zivilen Atomanlagen verletzt, wurde nicht erhoben. Die Anwesenheit des Essener TÜV in Buschehr wurde vom Auswärtigen Amt zu dessen Privatsache erklärt. Die Bundesregierung könne „niemand verbieten in den Iran zu fliegen“. Sie habe lediglich die Ausfuhrgenehmigungen zu überwachen. Die betroffenen Firmen seien darauf hingewiesen worden, daß während des Kriegszustandes keine Exporte „sensiblen Materials“ erfolgen dürften. -man–