Sit–in bei den Grünen

■ Grüne Basis besetzt Fraktionssitzung der Grünen / Gegen die Fraktionierung zwischen Fundis und Realos / „Tretet zurück oder wir treten zurück“

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

„Von der Basis besetzt“, verkündete gestern ein Schild an der Tür des grünen Fraktionssaals in Bonn. Drinnen Wandzeitungen: „44 MdBs zerstören die Arbeit von 30.000 Mitgliedern“, „Tretet zurück oder wir treten zurück“, „wärt ihr rotiert, wärt ihr regeneriert“. Rund ein Dutzend Grüne aus Karlsruhe und südbadischen Kreisverbänden (darunter Ulli Trost und Roland Voigt) war angereist, um den ParlamentarierInnen den Unmut der Basis um die Ohren zu hauen. Während Vorstandsmitglied Hubert Kleinert noch versuchte, in gewohnter Routine die Tagesordnung in den Griff zu bekommen, hob sich ein Transparent: „Letzte Mahnung“. Gemeint war, so ein Freiburger: „Das nächste Mal kommen etliche hundert.“ Ihre Schelte verteilten die Basis–Gesandten strömungsübergreifend: „Wir machen seit Jahren grüne Aufbauarbeit, ihr macht sie durch eure Streitereien und eure Profilierungssucht kaputt.“ Während die Fernsehkameras die Szenerie gierig aufsogen, reagierten die Adressaten der Schelte hilflos ob des zivilen Ungehorsams aus den eigenen Reihen. Empörung handelte sich Otto Schily ein mit der Unterstellung, die „angeblich spontane Aktion“ sei von einem „bestimmten politischen Spektrum“ gesteuert. Andere Abgeordnete nutzten die Gelegenheit für Versöhnungsangebote: Peter Sellin sowie die Fraktionsmitglieder Beck–Oberdorf, Nickels, Antje Vollmer und Lippelt warben um Unterstützung für einen Fortsetzung auf Seite 2 Brief an Parteimitglieder und Öffentlichkeit, der für eine Debatte und gegen Spaltung aufrufen soll. Am Vortag war eine Interview– Äußerung des Vorstands–Mitarbeiters Udo Knapp bekannt geworden, in der Knapp die Trennung der Grünen von den Fundis, also die Spaltung forderte. In einem Appell, „Laßt uns die Blöcke auflösen“, plädierte Eckart Stratmann gestern dafür, den „Strömungsfalken“ die Gefolgschaft zu verweigern, Bundes– und Fraktionsvorstand neu zu besetzen und in offener Auseinandersetzung zu entscheiden, wohin die grüne Reise gehen soll: Vorbereitung auf Regierungsverantwortung oder Wahrnehmung von Oppositionsverantwortung. Im allgemeinen Tohuwabohu ging die Fraktion gestern zunächst zur parlamentarischen Tagesordnung über: zur Haushaltsberatung. Die Basis–Gesandten stiegen wieder in den Zug; erst am Abend sollte, so entschied die Mehrheit, der Fraktionszustand noch einmal Thema werden - zu spät für den Redaktionsschluß der taz.