: Genfer Abrüstungspoker geht dem Ende zu
■ Nächste Woche treffen sich die Außenminister Shewardnadse und Shultz, um mit „politischen Entscheidungen“ die „letzten Detailprobleme“ zu lösen - aber das bleibt ein umfangreiches Programm / US–Rüstungshaushalt nur unwesentlich niedriger
Von Andreas Zumach
Genf (taz) - Am Montag und Dienstag nächster Woche treffen sich der sowjetische Außenminister Shewardnadse und sein US– Kollege Shultz in Genf, um „letzte Detailprobleme“ des Vertrages über die Beseitigung der landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen (INF) der beiden Großmächte zu klären. Dieses bereits vierte Treffen der Außenminister seit Mitte September wurde notwendig, nachdem sich die beiden Genfer Verhandlungsleiter Kampelmann und Woronzow nach dreitägigen intensiven Beratungen Anfang dieser Woche nicht einigen konnten. Jetzt seien „politische Entscheidungen notwendig“, um den Vertrag bis zum 26. November fertigzustellen. Das mit 120 bis 150 Seiten umfangreichste Vertragswerk der Rüstungskontrollgeschichte ist zwar „zu 98 Prozent fertig“, wie sowjetische Vertreter erklärten. Ungelöst sind aber nach wie vor wesentliche Fragen der Verifikation bei der Beseitigung der Raketen längerer Reichweite (1.000 bis 5.000 Kilometer) innerhalb von drei Jahren und kürzerer Reichweite (500 bis 1.000 km) innerhalb von 18 Monaten nach Vertragsratifizierung durch US–Senat und Obersten Sowjet. Die USA sind nicht bereit, für die nach Ablauf der Raketenbeseitigung für weitere zehn Jahre vorgesehenen Verdachtskontrollen verbindliche Zusagen zu machen für die Stationierungsorte der Pershing II und Cruise Missiles in der BRD, Italien, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden. Washington argumentiert hier ähnlich wie bei seiner Weigerung, über das Drittstaatensystem der Bundeswehr, die Pershing Ia, mit Moskau zu verhandeln. Außerdem weigerte sich Washington, auch private US–Rüstungsfirmen den Inspektionen durch sowjetische Kontrolleure auszusetzen. „Nach wie vor unvollständig“ seien die von Moskau zur Verfügung gestellten Daten über die Standorte und mobilen Startrampen der SS–20, SS–12/23 und SS–21 in der UdSSR, der DDR und der CSSR. Die Produktionsstätten der von einem Mittelstreckenvertrag nicht erfaßten Interkontinentalrakete SS–25 sollen von US–Beobachtern „an der Eingangs– und Ausgangstür überwacht werden, da nach US–Behauptung die erste Antriebsstufe dieser neuen Waffen identisch mit der der SS–20 ist. Die von Moskau geforderte Kontrolle von US–Anlagen „gleicher Bedeutung“ hat Washington jedoch bisher nicht zugestanden. Zum „zusätzlichen Hindernis“ (Woronzow) für einen Vertragsabschluß erweisen sich die geplanten „Kompensationsmaßnahmen“ der USA. Wie Woronzow in einem Fernsehinterview erklärte, sei Washington nicht bereit, das teure elektronische Leitsystem tercom zu verschrotten, das offensichtlich bei der Produktion seegestützter Cruise Missiles wiederverwendet werden soll. Zur Vermeidung weiteren Streits bis zum Gipfeltreffen am 7. Dezember haben sich Reagan und der US–Kongreß auf einen Kompromiß beim Rüstungshaushalt geeinigt. Er soll 296 statt 312 Mrd. Dollar betragen. Die Mittel für SDI werden von 5,7 auf 3,9 Mrd. gekürzt. Anti–Satelliten–Tests bleiben für ein weiteres Jahr verboten. Gefordert wird die Verschrottung des Atom–U–Boots Jackson, um die überschrittene Obergrenze des SALT–II–Abkommens über die strategische Rüstung wieder einzuhalten. Vom Ausgang hängt die endgültige Höhe des Pentagon–Etats ab und damit auch, ob 1988 weitere MX– Raketen, Trident–U–Boote und Flugzeugträger finanziert werden können.
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