Satellite–rock around the clock

■ TV–Sat1 hatte hoffentlich in dieser Nacht Glück mit seiner Pannen–Rakete „Ariane“ / Von B.M.Mülder

Ob es in der vergangenen Nacht geklappt hat, konnte die Redaktion gestern noch nicht wissen. Der Startversuch, den die Indianer um das hermetisch abgeriegelte „europäische“ Raumfahrtzentrum Kourou im französischen Kolonialgebiet Guayana herum verfolgen konnten, war jedenfalls schon der zwanzigste dieser Rakete - und vier von ihnen waren gescheitert. Über 600 Millionen Mark waren im Mai 1986 ins Meer gestürzt, weil die dritte Zündstufe von „Ariane“ versagt hatte. Doch im Wettrennen um die Kommerzialisierung des Weltraums darf nicht gekleckert, es muß geklotzt werden. Mit 20 Prozent sind deutsche Firmen an der Raketenfirma Arianespace beteiligt, die seit dem Challenger– Fiasko 1986 volle Auftragsbücher vorweisen kann. Jetzt mußte es endlich mal klappen. Die Amerikaner halten nicht mehr still und drängen mit neuen Raketen wieder auf den heiß umkämpften Markt, auf dem nicht zuletzt auch die Chinesen den „Langen Marsch“ (so heißt ihre Rakete) begonnen haben. Abgesehen von diesem Investitionsschub vermag der von Postminister Schwarz–Schilling (CDU) anvisierte Durchbruch in ein neues Medienzeitalter hierzulande allerdings die wenigsten zu überzeugen. TV–Sat ist ein Satellit der ersten Generation, seine Technik gilt heute als veraltet. Mehr als fünf Sender können auf dem zwei Tonnen schweren Satelliten, der 1978 konzipiert wurde, nicht untergebracht werden - er verbraucht zuviel Strom. Kleinmütig mußte der Minister bereits eingestehen, daß 340 Millionen Mark von insgesamt 870 Millionen zu Lasten des Bundeshaushaltes abzuschreiben sind. Weder die ARD (1 plus) und das ZDF (3–Sat) noch die privaten Anbieter SAT 1 und RTL Plus wollen mehr als zehn bis zwölf Millionen Mark Gebühren im Jahr für das System zahlen. Ursprünglich waren 30 Millionen Mark angesetzt - für ein System, mit dem in der ersten Phase kaum mehr als 50.000 Haushalte zu erreichen sein werden. Mit den von der Post entdeckten zusätzlichen terrestrischen Frequenzen erhoffen sich aber vor allem die Privaten, neben den heute 2,5 Millionen Kabelhaushalten langfristig vier bis fünf Millionen Zuschauer zu erreichen. Dann, so die Expertenmeinung, haben sie die Verlustzone überschritten. Kein Wunder, daß die Privaten in das Loblied der ARD– Technikexperten mit einstimmen, daß jetzt beinahe unbegrenzt Programme ausgestrahlt werden kön nen. Doch das Spiel hatte einen gewaltigen Haken. Weil es dem Bonner Minister nämlich auf „Spitzentechnologie“ und die „Vertiefung der französisch–deutschen Zusammenarbeit“ ankam, einigte er sich 1985 mit dem französischen Amtskollegen auf eine vom französischen Staatskonzern entwickelte Qualitätsnorm mit der wunderbaren Bezeichnung D2Mac, die das alte PAL–System ablösen soll. Fortan werden neue Fernseher fällig, wenn man von Schottland bis Sizilien digital dabei sein will. Doch der Haken hatte bis vor wenigen Wochen noch eine weitere Krümmung. Es fehlte an dem erforderlichen Chip. Jetzt hat eine Tochterfirma des ITT–Konzerns, Intermetall in Freiburg, die ersten Muster, 50 DM das Stück, auf den Markt geworfen. 150.000 Funktionen enthält das gute Stückchen auf 52 Quadratmillimeter. ASTRA–Konkurrenz Dennoch dürfte es den Marketing– Experten nicht ganz leicht fallen, TV–Freaks vom Empfang des TV– Sat zu überzeugen. Eine gewichtige Konkurrenz, die ausgerechnet durch den heutigen Ariane– Start neuen Auftrieb bekommt, wartet nämlich darauf, mit einem „medium–power–Satelliten“ im September nächsten Jahres ebenfalls von Kourou aus in den Weltraum zu starten. Das luxemburgische Konsortium unter Beteiligung der Dresdner und der Deutschen Bank will dann europaweit mit 16 Programmen um die Gunst der Zuschauer buhlen und den „Satellitenhimmel revolutionieren“. Noch stehen Programmanbieter offiziell abseits. Mit mehr als 40, so die Firmenwerbung, stehe man im Gespräch. ASTRA verlangt Kanalmieten von zehn Millionen Mark, verspricht dafür auch ein voll abgestimmtes Programm, vom Teleshopping bis zum news–channel, zu empfangen in 95 Prozent Westeuropas. Doch auch dafür bedarf es wiederum einer speziellen Empfangsanlage. Das Nachsehen haben neben den Westeuropäern aber auch die Fernsehzuschauer in der DDR, im gesamten Mitteleuropa. Den Zuschauern geht es wie den Indianern in Guayana. Die können den Raketenstarts auch nur von Ferne zuschauen und haben nichts davon.