Gemayel in Bonn: PR– und Betteltour

■ Der Staatspräsident des Libanon putzt in Bonn, München und Berlin die Klinken / Auf der Suche nach Wegen aus innen– und außenpolitischer Isolation

Aus Beirut Petra Groll

„Auf die gute Arbeit seines Friseurs legt er größten Wert“, antwortete ein bekannter Beiruter Kolumnist auf die Frage nach den wichtigsten positiven Beziehungen des libanesischen Staatspräsidenten Amin Gemayel. Der Mann wollte seine Bemerkung durchaus ernst genommen haben. Am heutigen Montag trifft der Präsident mit dem schönen Scheitel auf Einladung Kanzler Kohls in der Bundesrepublik ein und wird außer Bonn auch München und Berlin besuchen. Wie das bei Gemayel mit dem für Libanesen so schwer erhältlichen Visum für Deutschland gelaufen sei, fragte mich kürzlich eine gutherzige Nachbarin, und ob „Einladung“ bedeute, daß der deutsche Kanzler auch die Reisekosten des Präsidenten trage? Die Libanesen betrachten Gemayels Trip zur Bonner Bruderpartei durchaus mit großen Hoffnungen. Denn der Präsident geht auf Betteltour. Er erhofft sich nicht nur aus Bonn Wirtschaftshilfe, auch sein Zusammentreffen mit F.J. Strauß in München kann für ihn etwas abwerfen. Zudem glaubt er, daß Bonn bei der EG in Brüssel ein gutes Wort für ihn einlegen könne. Der CSU–Vorsitzende wird indes auch als potentieller Friedensengel und Vermittler zwischen dem Libanesen und seinem Erzfeind, dem syrischen Präsidenten Assad, gehandelt. Assads Soldaten kontrollieren immerhin rund zwei Drittel des libanesischen Territoriums. Doch Assad will sich erst auf Gemayel einlassen, wenn der das tödliche Attentat auf den sunnitischen Premier Karameh im Sommer dieses Jahres aufgeklärt hat. Die Untersuchungen treten seit Monaten auf der Stelle. Völlige Funkstille herrscht auch zwischen dem Präsidenten und der Mehrheit seines Kabinetts. Die Führungsclique der Oppositionsparteien, als Minister in der „Regierung der nationalen Einheit“ vertreten, boykottiert ihn seit nunmehr zwei Jahren. Nicht einmal in der eigenen Partei, der christlich–maronitischen „Phalange“, findet der Sohn des Parteigründers genügend Rückendeckung. Nach Ablauf seiner sechsjährigen Präsidentschaft würde Gemayel im September 1988 wohl gern die Parteiführung übernehmen, doch Intrigen und Manöver der verschiedenen Flügel der Partei gegen ihn lassen diese Hoffnungen schon heute vergeblich erscheinen. Die innenpolitische Einsamkeit des Präsidenten zeigte sich in aller Kraßheit beim jüngsten Sondergipfel der Arabischen Liga in Amman. Obwohl die Libanonkrise auf der Tagesordnung ganz oben stand, mochte niemand ernsthafte Verhandlungen mit dem Staatspräsidenten führen. Es scheint also, der Präsident kann offene Ohren nur noch im westlichen Ausland finden, da ihm in seiner Heimat geballte Häme, bestenfalls peinliches Schweigen entgegen gebracht wird. Mitgefühl ist dennoch nicht angebracht. Selbst wenn Gemayel sich entschließen sollte, durch vorgezogene Neuwahlen den Weg aus der politischen Sackgasse freizumachen, müßten er und seine Familie nicht am Hungertuch nagen. Immerhin besitzt der Rechtsanwalt die in fränzösischer Sprache erscheinende Tageszeitung Le Reveil, eine Mineralwasserfabrik und eine der größten, vollcomputerisierten Datenbanken im Nahen Osten. Gemeine Lästerzungen schlagen ihn für den Nobelpreis in Chemie vor, „weil er es geschafft hat, aus der Landeswährung Lira einen Krümel Mist zu machen“.