Größter Killer von Frauen

„AIDS geht alle Frauen an, die treuen und die untreuen Frauen, und wir müssen die Diskussion so führen, daß tatsächlich jede Frau daran teilnehmen kann.“ So faßte Zita Küng von der Schweizer AIDS–Hilfe zusammen, was über Frauen und AIDS aus den anderen Ländern zu hören war: Die Zahl der an AIDS erkrankten Frauen steigt. Besonders kraß sind die Zahlen aus den USA: Etwa 10 Prozent der 500.000 Infizierten in New York sind Frauen, berichtete Chris Norwood, Ärztin und Vorsitzende des AIDS–Komitees des „National Womens Health Network“ in New York. AIDS werde immer mehr durch heterosexuelle Kontakte, gerade auch in den Ehen an Frauen übertragen. Dennoch werde in den USA das Problem der verheirateten Frauen überhaupt nicht in Betracht gezogen. Chris Norwood betonte, daß gerade diese Frauen Unterstützung bedürften, weil sie sich meistens gar nicht trauten, den Ehemann nach anderen sexuellen Kontakten zu befragen. Die Journalistin Sybille Plogstedt zitierte die gemäßigte feministische Frauenzeitschrift MS vom April diesen Jahres: In New York City ist AIDS schon der größte Killer von Frauen im Alter zwischen 25 und 29 Jahren, der zweitgrößte der Frauen zwischen 30 und 35 und drittgrößter der Frauen zwischen 15 und 19 Jahren. Eine Mitarbeiterin einer regionalen AIDS–Hilfe warnte allerdings vor Panik: Diese Zahlen seien auf die BRD so nicht übertragbar. AIDS sei auch ein soziales Problem. Die englische Sozialpsychologin Diane Richardson: Im Mai 87 waren von allen AIDS–kranken Frauen 73 % farbig. Auch Chris Norwood betonte, daß vor allem schwarze und Frauen spanischer Herkunft zu den Infizierten gehören. In Frankreich (etwa 150.000 Virusträger, davon 1.600 erkrankt) gebe es „eine größere Öffentlichkeit und eine andere Form der Tabuisierung“, berichtete die Soziologin Christine Woesler de Panafieu. Die französische Gesundheitsministerin habe eine mit der Süssmuth–Kampagne vergleichbare Aufklärungsaktion gestartet. Die französische Intelligenz und die Feministinnen hätten sich allerdings nicht in die AIDS– Debatte eingeschaltet; ein Frauen– und AIDS–Kongreß sei in Frankreich (noch) nicht denkbar. Aus England (1.067 Infizierte, davon 32 Frauen, wobei sich die Zahlen alle 6–8 Monate verdoppeln) berichtete Diane Richardsen von einer der Bundesrepublik vergleichbaren Debatte um Zwangstests. Geradezu frappierend war, daß die Aufklärungskampagnen überall sehr ähnlich verfaßt sind: Den Frauen wird die Verantwortung zugeschoben; sie sollen die Kondome besorgen und die Männer zur Benutzung derselben überreden. Ursel Sieber