„Weimar heißt er - uns bescheißt er“

■ Der hessische Umweltminister stellte am vergangenen Freitag seine Planungen in puncto Giftmülldeponie Mainhausen der Presse vor / Proteste der Bewohner begleiten den Minister / Streit um Deponie geht weiter

Aus Mainhausen Michael Blum

Als sich um zwölf Uhr an diesem Freitag der hessische Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) erstmals entspannt zurücklehnt, seine in schwarzes Tuch gewickelten Beine mit den gelben Gummistiefeln unter dem verschrammten Konferenztisch ausstreckt, den Kugelschreiber beiseite legt und sich genüßlich eines seiner millimeterdünnen Cigarillos ansteckt, hat er die erste Runde im Streit um die Giftmülldeponie vor Ort hinter sich gebracht. „Weimar heißt er - uns bescheißt er“, ist als Spruch auf einem der vielen Transparente und Schilder zu lesen, die aufgebrachte BürgerInnen in der kleinen Gemeinde Mainhausen im Ostkreis von Offenbach am Morgen zu seinem Empfang bereithalten. Noch am Vortag mobilisierte ein Flugblatt und der Lautsprecherwagen der örtlichen Feuerwehr für diese Demonstration. Der Kabinetts–Benjamin Weimar hat als fünfter Umweltminister mit dem Widerstand der Mainhäuser zu kämpfen. „Die Kerle sollte man mit der Schipp aus dem Ort treibe“, faßt eine ältere Bürgerin die Stimmung vor dem Rathaus zusammen. Trotz des anhaltenden Nieselregens haben sich an die 50 Einwohner versammelt, zumeist ältere. Die Nervosität einer Premiere - erstmals will ein CDU– Minister die Giftmülldeponie in Betrieb nehmen - ist allenthalben spürbar. „Mit Weimar ist das Trinkwasser im Eimar“, dichtet ein Gemeindevertreter auf seinem Protestschild. Der Adressat die ses Protests trifft pünktlich vor Ort ein. Im schwarzen Anzug mit auffallend grüner Krawatte hört er sich die Proteste geduldig an. Noch vor der Anordnung des Umweltministers sind die Demonstranten zur zu 80 Prozent fertiggestellten Deponie gezogen. Die Landespressekonferenz, die auf Einladung Weimars per Reisebus aus Wiesbaden kommend zum Ortstermin eintrifft, wird bereits erwartet. Eine Presseerklärung des Aktionsbündnisses gegen die Giftmülldeponie - einem Zusammenschluß von bayerischen und hessischen Umweltschützern, Gemeindevertretern und BürgerInnen - wird ihnen überreicht. Nach einer kurzen Exkursion Weimars durch die Deponie beginnt die Pressekonferenz: „Bereits am 11.11. wurde ein neues Planfeststellungsverfahren eingeleitet“, erklärt Weimar. Nachdem das alte vor Jahresfrist sowohl vom Verwaltungsgerichtshof Kassel als auch vom Verwaltungsgericht Darmstadt als rechtswidrig erklärt wurde, werde man nun den Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigen. So werde die 600 Meter lange und 200 Meter breite Deponie entsprechend der „Mainhausen–Kommission“ - einer in rot– grünen Zeiten eingesetzten Wissenschaftlergruppe, die die Tauglichkeit des Standorts zu prüfen hatte - teilweise überdacht. Das größte freitragende und verschiebbare Dach Europas mit einer Abmessung von 200 auf 270 Metern soll die jeweilige Einlagerfläche vor Wassereinbruch und damit einhergehender Schad stoffausschwemmung schützen. Hinzu wird als zusätzliche Sicherheitsgarantie die Bodensohle mit anderthalb Metern künstlichem Ton aufgefüllt. Die Kosten für die „Nachrüstungen“ belaufen sich auf 60 Mio. DM, die Deponiekosten ins gesamt verdoppeln sich auf 120 Mio. DM. Jährlich sollen 150.000 Tonnen Giftmüll eingelagert werden, die Deponie mit einem Volumen von drei Mio. Kubikmetern wäre laut Weimar ab 1990 für „20 Jahre zu nutzen“. Von den kritischen Fragen der Pressevertreter merklich ins Wanken gebracht, rettet Pressesprecherin Christiane Kohl die Situation - jetzt, so erklärt sie, könnten die BürgerInnen ihre Fragen an den Minister stellen. Und das sind nicht wenige. Eine Deponie, die acht Meter unter dem Grundwasserspiegel liegt, könne doch nicht nur anderthalb Meter aufgefüllt werden und dann als sicher bezeichnet werden, ist einer der Einwürfe. „Richtig“, entgegnet Weimar, das „ist der einzige Punkt, der nicht berücksichtigt werden konnte, er ist ökonomisch uninteressant.“ Die Deponie sei aber auch so sicher. Sie werde in Betrieb gehen. Buhrufe und die Ankündigung juristischer Schritte begleiten das Resümee. Bürgermeister Gröning, entschiedener Deponie–Gegner, zur taz: „Die Träumerei eines einfachen Widerstands ist beendet, die Fronten geklärt. Die Deponie konnte zwölf Jahre verhindert werden, auch zukünftig wird es keine potentielle Altlast, deren Nachrüstungen lediglich eine politische Augenwischerei sind, geben.“