P O R T R A I T Ein Denkzettel für die Chauvinisten

■ Südkoreas Sozialdemokraten nominieren eine Frau als Präsidentschaftskandidatin

Wenige Frauen in Südkorea haben ein derart schillerndes Vorleben wie die Überraschungskandidatin der winzigen Sozialdemokratischen Partei Südkoreas, Hong Suk–Ja. Früher Diplomatin, jetzt Professorin und dazu noch geschieden: Die 54jährige ist eine echte Vorkämpferin für die Rechte der Frauen. Sie tritt in einem Land an, das von der konfuzianischen Tradition geprägt ist wie kaum ein anderes: Im Restaurant werden Männer zuerst bedient, auf der Straße haben sie automatisch den Vortritt, unter den 184 Mitgliedern der Nationalversammlung in Seoul befinden sich ganze zwei weibliche Abgeordnete. So betrachtet Hong Suk–Ja ihre Rivalen - selbstverständlich alle männlichen Geschlechts - a priori als Chauvinisten. Den ersten Eklat gab es gleich nach ihrer Nominierung: Ein Dutzend ihrer Parteifreunde legten ihre Ämter nieder, um gegen diesen unerhörten Vorgang zu protestieren. Ein wesentlicher Grund für die Gegnerschaft liegt in der Scheidung Frau Hongs in den sechziger Jahren von einem sehr wohlhabenden Geschäftsmann. Dieser Schritt war für Hong Suk–Ja „die erste Etappe zu einem politischen Erwachen“. Sie spricht über Heirat und Trennung wie andere Kandidaten über ihre Zeit im Exil oder Gefängnis. Ihren Ex– Mann beschreibt sie als typischen Asiaten, der den Regeln der doppelten Moral folgte - und dementsprechend auch untreu war - kurzum: inakzeptabel. „Bis zum Alter von sieben Jahren war ich Einzelkind“, erzählt Frau Hong, „dann mußte meine Mutter unter dem Druck der Familie ein weiteres Kind bekommen. Ein Sohn, der prompt der Liebling der Familie wurde. Da habe ich beschlossen, mich künftig wie ein Mann zu verhalten.“ Wenn sie gewählt werde, wolle sie die Hälfte aller Ministerposten mit Frauen besetzen, verspricht die Kandidatin. Als erste Frau im diplomatischen Dienst ihres Landes war sie schon Mitglied der koreanischen UNO–Delegation und später Vize– Konsulin in New York. Derzeit bekleidet sie das Amt der Präsidentin des Internationalen Frauenrates mit Sitz in Paris. Im Jahre 1969 entschied sie sich, den diplomatischen Dienst zu verlassen und Professorin an einer großen Universität in Seoul zu werden. Sie wollte soviel Zeit wie möglich für die koreanische Frauenbewegung aufbringen, die damals praktisch nicht existierte. „Seit mehr als 500 Jahren werden die Frauen in Korea wie niedere Wesen behandelt“, so die Bewerberin. Die japanische Besetzung am Anfang des Jahrhunderts habe diese Mentalität nur noch bestärkt. In Japan sei die Lage für Frauen inzwischen ein wenig besser geworden, nicht aber in Korea: „Die Bedingungen für uns werden sich nur ändern, wenn wir selbst in die politische Arena treten.“ Genau diese von ihr beklagte männliche Vorherrschaft allerdings wird zum Scheitern der Kandidatur Hong Suk–Jas führen, vermuten Beobachter. Es wäre schon ein „Wunder“, wenn die sozialdemokratische Kandidatin fünf Prozent der Stimmen erreichte, heißt es. Jeder Kandidat, der dieses Minimum erreicht, bekommt die 62.000 US–Dollar zurück, die er bei seiner Kandidatur als Garantiesumme hinterlegen mußte. Doch die fehlenden Siegeschancen stören Hong Suk–Ja nicht: „Selbst wenn ich nicht gewählt werde, wird meine Wahlkampagne dazu dienen, den Koreanerinnen ein Beispiel zu geben. Korea ist immer noch eines der wenigen Länder, in denen es keinerlei Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Gesetz gibt. Wir wollen zeigen, daß die Rechte der Frauen über die Arbeit im Haus hinausgehen. Sie sollen Rechte und Pflichten in der Gesellschaft, im Staat und auf internationaler Ebene wahrnehmen.“ Rene Flipo