Golf: Offensive Irans, weil die Petrodollar knapp werden?

■ Nach dem Gipfel von Amman: Teheran will seine politische Isolation mit einer militärischen Offensive durchbrechen / Der Luftkrieg Iraks trifft die iranischen Ölexporte und bringt die Mullahs in finanzielle Schwierigkeiten / Iran nach arabischem Flottenaufmarsch in der Klemme / 250.000 Kriegsfreiwillige in Iran mobilisiert

Aus Manama William Hart

Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen seien, werde die Islamische Republik mit einer Großoffensive beginnen, erklärte Irans Parlamentspräsident Rafsanjani einer japanischen Zeitung. Staatspräsident Khamenei formulierte es letzten Freitag beim Gebet für die Massen etwas drastischer: „Reihenweise vernichtende Schläge“ werde die Mobilisierung dem Irak bringen. Es gibt keinen Zweifel, Iran bereitet einen neuen Großangriff im Süden der Front vor. 250.000 Soldaten undFreiwillige sind bereits versammelt. Durch Großeinkäufe in den vergangenen Monaten ist die Ausrüstung der Todesbereiten verbessert worden. Sie sollen während des Angriffs sogar Luftunterstützung durch in China gekaufte F–6– und F–7–Jäger erhalten. Reaktion auf Gipfel von Amman Nicht zufällig hat Iran die Mobilisierung Stunden nach der arabischen Gipfelkonferenz in Amman bekanntgegeben. Irak erhielt Rückendeckung im arabischen Lager. Hatte Teheran das Treffen der Staatschefs zu Anfang noch als eine Pflege sozialer Kontakte mit leerem Geschwätz bezeichnet, so sprach der iranische Rundfunk 72 Stunden später von einer Katastrophe für die gesamte islamische Welt. Natürlich haben sich die Mullahs über die starke Solidarität für Kuwait und Saudi–Arabien geärgert, aber noch ärgerlicher war die Solidarität für Irak und die Bekräftigung, daß die Waffenstillstandsresolution der UNO nicht geändert werden dürfe. Denn damit schwanden die Aussichten, den Irak doch noch dazu zu bewegen, der Einsetzung einer Kommission zur Kriegsschuldfrage zuzustimmen, ohne daß es zu einem formalen Waffenstillstand kommt. Durch eine Offensive soll das jetzt militärisch erreicht werden. Irak soll zudem gezwungen werden, den Luftkrieg gegen die iranischen Ölexporte einzustellen. Denn die Angriffe treffen die iranischen Ölexporte im Kern. Irakische Behauptungen, denen zufolge seit zwei Wochen täglich zwei Tanker getroffen werden, stimmen zwar nicht zu; jedoch ist bereits etwa ein Drittel der etwa 30 iranischen oder von Iran gecharterten Schiffe, die Öl aus dem großen Verladehafen Kharg zu den Verladestationen am Ausgang des Golfes bringen, ausgeschaltet. Über Bord hängende Netze, die Exocet–Raketen bereits vor dem Eindringen in das Innere der Tanker zur Explosion bringen, und modernste Warnsysteme nehmen den irakischen Angriffen zwar die ganz große Wirkung. Aber der Luftkrieg gegen Ölfelder, Ölleitungen, Raffinerien im iranischen Hinterland und Angriffe auf als Vorratslager genutzte Supertanker am Ausgang des Golfes zeigt seine Wirkung erst langfristig. Sollten die irakischen Flugzeuge ohne Unterbrechung auch künftig ihre Raketen weiter abfeuern, wird Teheran zunehmend Probleme beim Ölexport bekommen. Statt der 2,2 Millionen Barrell im Frühjahr werden derzeit nur noch etwa 1,5 Millionen am Tag verkauft. Der Rückgang des Dollarpreises und das Fallen des Ölpreises unter die von der OPEC festgesetzte Grenze von 18 Dollar trifft Iran daher besonders hart. Die Im porte gehen auch noch weiter zurück. Die Islamische Republik verfügt nur über gut die Hälfte der zur Fortsetzung des Krieges, der Aufrechterhaltung der Produktion und der Versorgung der Bevölkerung notwendigen Devisen. Erstmals seit dem Schahsturz werden in diesem Winter viele Arme hungern und wieder frieren müssen. Landoffensive Irans gegen Luftkrieg Iraks Rücksicht im Luftkrieg wie in der Vergangenheit braucht Irak nicht mehr zu nehmen, da Saudi–Arabien und Kuwait ihren Widerstand gegen den Tankerkrieg aus zwei Gründen beendet haben. Zum einen haben die Provokationen der iranischen Pilger in Mekka, die den Terror der saudischen Kommandos auslösten, und die iranischen Raketenangriffe auf Kuwait die neue Haltung bewirkt. Hinzu kommt die Anwesenheit der sieben nicht arabischen Kriegsflotten in der Region. Iran ist das Mittel genommen, durch Minen oder echte Angriffe vor der Küste der arabischen Golfstaaten Druck auf Irak auszuüben. Vor allem die USA, aber auch die Sowjetunion haben mit militärischen Angriffen und Drohgebärden demonstriert, daß Iran enge Grenzen bei Angriffen auf Schiffe gesetzt sind und es sich mit eher symbolischem Maschinengewehrfeuer und dem Abschuß weniger Panzerabwehrgranaten zu begnügen hat. Die neue Landoffensive ist so die Zauberformel, mit der die iranische Führung eine Wende erzwingen will. Irak weiß dies natürlich und hat sich entsprechend auf die Schlacht um Basrah vorbereitet, ja sie sogar provoziert. Aber Irak wird alleinstehen. Denn Solidarität auf der arabischen Gipfelkonferenz wurde vor allem mit Kuwait und Saudi–Arabien geübt und nicht direkt mit dem Irak. Ägypten hat bereits nach Konferenzende Militärdelegationen nach Kuwait geschickt. Jordaniens Kronprinz erklärte am Samstag, daß sein Land bereit sei, den Golfstaaten militärisch zu helfen. In Bezug auf die innere Sicherheit sei dies in der Vergangenheit schon der Fall gewesen. Natürlich werden die arabischen Staaten einen militärischen Zusammenbruch Iraks nicht akzeptieren. Aber wie die Supermächte haben sie vor allem Interesse, ein Übergreifen des Krieges zu verhindern. So hat auch Syrien seinen Einfluß in Teheran in erster Linie genutzt, Iran zur Mäßigung gegenüber Kuwait und Saudi–Arabien zu bewegen. Erst einmal soll das Ergebnis des wohl größten Massakers im gesamten Krieg abgewartet werden. Verlieren die Iraker keinen Zentimeter ihres Territoriums, wird der Druck auf Teheran zunehmen, die besetzten Gebiete in Südirak zu räumen und einem Waffenstillstand zuzustimmen. Rückt Iran weiter vor, wird man Irak zwingen, eine Untersuchungskommission zur Kriegsschuldfrage zu akzeptieren und damit Teheran entgegenzukommen. Denn sowohl die arabischen Staaten als auch die Supermächte scheinen ein Interesse daran zu haben, daß Iran und Irak sich ein weiteres Mal schwächen, damit man später mit ihnen leichteres Spiel hat.