Kampf der Postgewerkschaft für die Bürger und sich selbst

■ Protestkampagne der Postgewerkschaft gegen die Umstrukturierung der Bundespost / Aufteilung im Interesse der Industrie / Verstoß gegen Sozialstaatsgebot

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Das Lieblingswort Kurt van Haarens heißt zur Zeit „Rosinenpickerei“. „Was dort vorgeschlagen wird, ist nichts weiter als Rosinenpickerei im Interesse der Großkonzerne!“, ruft der gewichtige Chef der Postgewerkschaft bei allen sich bietenden Gelegenheiten in die Mikrofone. Die Bundespost als Kuchen, aus dem sich Siemens, Standart El, private Handwerksfirmen und Medienkonzerne die besten Teile profithungrig herauspicken - mit diesem Bild versucht der Postgewerkschafter Stimmung gegen die Pläne des Bundespostministers Schwarz–Schilling zur Umstrukturierung des größten bundesdeutschen Unternehmens zu machen. In der Tat hat der Minister weitreichende Pläne in der Schublade, die wenn sie realisiert werden, bei der guten alten Post nichts mehr zu belassen wie es mal war. Nach den Plänen einer Arbeitsgruppe im Ministerium soll die Bundespost in Zukunft in drei Unternehmensbereiche aufgeteilt werden, die jeweils für sich ein eigenes Management erhalten und nach betriebswirtschaftlichen Kriterien arbeiten sollen: Brief– und Paketdienst, Fernmeldebereich (Telcom) und Bankbereich (Girodienst und Sparkasse). Zwar sollen alle drei Bereiche weiterhin im Besitz des Bundes bleiben, aber die jeweiligen Vorstände sollen, des Beamtenstatus entledigt, erweiterte Mangementkompetenzen erhalten und vor allem eine selbstän dige Personal– und Tarifpolitik betreiben können. Die Aufteilung (van Haaren: „Zerschlagung“) der Bundespost hat nach den Plänen des Ministeriums von allem den Zweck, innerhalb von fünf Jahren die Quersubventionen zwischen den verschiedenen Unternehmensbereichen abzubauen und den Telekommunikationsbereich aus der Einbindung in das Gesamtunternehmen zu befreien. Derzeit wird vor allem der defizitäre Brief– und Paketdienst mit seinem bis in die tiefe Provinz reichenden, flächendeckenden Leistungsangebot von dem provitablen Fernmeldedienst subventioniert. Ein Wegfall dieser Subventionen, so die Postgewerkschaft, müßte zwangsläufig das Leistungsangebot verteuern und reduzieren. Schon jetzt sind auf Grund der Schließung von Postämtern die Wege in entlegenen Regionen unzumutbar lang. Und wird, so fragte meine Postbotin beim Austragen des DPG–Protestflugblatts in der vergangenen Woche, der Normalbrief von Berlin (Schleswig–Holstein) nach Arnstorf (Oberbayern) in Zukunft nicht nur fünf Tage unterwegs sein, sondern auch noch 3,50 Mark kosten? Aber auch im Fernmeldebereich sind nach Meinung der Postgewerkschaft Verschlechterungen für die Privatkunden zu befürchten. Wird es für das neue Unternehmen Telecom betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, die beschädigte Telefonzelle in dem abgelegenen Dörfchen Friesoyte–Neuvrees (Niedersach sen) oder am Kottbusser Tor (Berlin–Kreuzberg) zu reparieren? Wird das Verlegen eines Telefonanschlusses in der Provinz in Zukunft erheblich teurer als in den dichtverkabelten Großstädten? All dies befürchtet die Postgewerkschaft und illustriert das mit Erfahrungen aus Maggie Thatchers Königreich, in dem für Telefonanschlüsse nach dem Motto „je länger die Leitung, desto teurer der Anschluß“ umgerechnet bis zu fünftausend Mark zu berappen sind. Die Post als Bundesunter nehmen habe, so die DPG, einen sozialstaatlichen Auftrag, der durch die grundgesetzliche Verpflichtung zur Herstellung gleicher Lebensbedingungen und -Chancen im gesamten Bundesgebiet definiert sei. Für die Bundespost bedeute dies: Sie muß überall ihre Dienstleistungen zu erschwinglichen und gleichen Preisen anbieten. (“Bürgerpost für alle“). Dies aber ist nach Meinung der Postgewerkschaft nur möglich, wenn die nicht profitablen Bereiche nach wie vor mit den Überschüssen aus anderen Bereichen subventioniert werden. Genau dies ist nun nach Meinung Schwarz–Schillings und seiner Experten eine Investitionsbariere für die Weiterentwicklung des Telekommunikationsbereichs, die schleunigst eingerissen werden muß. Denn auf seinem Programm bis zum nähsten Jahrtausend steht die Umstellung des Fernmeldenetzes auf digitale Übermittlungstechnik, wodurch die bisher unterschiedlichen Überfragungswege von Sprache, Bildern, Daten und Schriftstücken integriert und kombiniert werden könnten. Gleichzeitig sollen die für die Industrie besonders interessanten (und damit für die Post potentiell profitablen) Bereiche der Bild– und Datenübermittlung privatisiert werden können, nach dem auch in anderen industriellen Bereichen bewährten Muster: Die Investitionskosten trägt der Staat, die profitable Verwertung übernimmt die Industrie. Die Postgewerkschaft sieht sich durch die Schubladenpläne Schwarz–Schillings heftig bedroht. Sie befürchtet nicht nur, daß die bisher für die gesamte Post geltenden einheitlichen Tarifnormen aufgebrochen werden, mit der Folge, daß die Beschäftigten im Post– und Paketdienst in Zukunft schlechter bezahlt, ungenügender gegen Rationalisierung abgesichert sind als die Postler in anderen Bereichen. Sie fürchtet um ihren Bestand als größte Betriebsgewerkschaft der Bundesrepublik, ohne die im Bundesunternehmen Post kaum etwas gelaufen ist. „Sichert die Post - Rettet das Fernmeldewesen!“ ruft die Gewerkschaft seit letzter Woche allen Bundesbürgern in ihrer mit 16 Millionen Auflage gedruckten „Bürgerpost“ zu. Sie sucht die Unterstützung also nicht nur bei den anderen Gewerkschaften, sondern in der politischen Öffentlichkeit. Denn: „Die Bundespost gehört uns allen“, heißt es in dem Flugblatt, und „unser Eigentum darf nicht an einige wenige Großkonzerne ausgeliefert werden“.