K O M M E N T A R Das Wunder von Bonn

■ Vier Tage Haushaltsdebatte

Dr. Helmut Kohl ist Generalist - als Bundeskanzler muß er das sein. Seit gestern, der ersten Etappe des Vier–Tage–Dramas „Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag“ wissen wir: Der Hang des Mannes zum Allgemeinen ist steigerungsfähig. Dr. Helmut Kohl war Generalissimus: von der Hafenstraße bis zum südlichen Afrika kein Thema, das er nicht en passant angerempelt hätte. Das wars dann aber auch schon - wenig genug -, was der Redemarathon uns zu bieten hat. Im Gegensatz zu den notorischen Sportschauguckern haben nämlich die, die Tag für Tag im Bundestag ausharren oder die Strafe auf sich nehmen, auf den Mittelwellensendern zu hören, was die Debattenredner Langweiliges zu bieten haben, mit keinen Überraschungen zu rechnen: Kein Außenseiter wird als erster durchs Ziel gehen, kein Publikum wird den Oppositionsführer Vogel wegen notorischer Biederkeit ausbuhen, und kein Stenograf wird resigniert den Griffel niederlegen, weil diese Reden nicht einmal das Niederschreiben lohnen und die Zwischenrufe allein auch niemanden aus der sturen Routine reißen, die als einzige gewährleisten kann, daß man nicht sofort auf dem Berichterstatterplatz in tiefen Schlaf verfällt. Statt politischer Auseinandersetzung erleben wir ein ziemlich monotones Spiel mit Textbausteinen - alles, was in diesen Tagen gesagt wird, ist schon zigmal gesagt (und auch dieser Kommentar zehrt von den Resten ermüdeter Resignation aus dem letzten Jahr), neue Gedanken und Initiativen halten vorerst Winterschlaf. Denn gerade weil die Haushaltsdebatte entscheidende Folgen hat, weil die Regierung mit den dort getroffenen Entscheidungen den finanziellen Rahmen für ihre aktuelle Politik festklopfen muß, wird alles dafür getan, daß es in ihrem Verlauf keine Überraschungen gibt. Fast hätte ich es vergessen: Da gibt es ja auch noch die Opposition. Ja, also ...vergessen. Oliver Tolmein