Kraftloser Generalstreik in Italien

■ Der Aufruf zum vierstündigen Generalstreik der großen italienischen Gewerkschaften gegen die alt–neue Regierung Goria wurde nur teilweise befolgt / Ministerpräsident Goria sprach vor leeren Bänken

Aus Rom Werner Raith

Auf den ersten Blick erinnern die Bilder an die großen Zeiten italienischer Arbeitermanifestationen - aber nur auf den ersten Blick. Hunderte roter Fahnen, Plätze voller Zuhörer, markige Worte der drei Gewerkschafts–Ober bosse. Und ein beträchtlicher Teil der Fabriken steht in der Tat still, Behörden, Banken, Postämter sind geschlossen. Doch niemand zeigt sich sonderlich berührt - viele Schulen führten, trotz Streik, ihren Unterricht durch, selbst bei Fiat arbeiten einige Zweigwerke, Omnibusse und Züge verkehren in allenfalls verminderter Zahl. Viele der Teilnehmer an den Demos wissen nicht einmal genau, wogegen oder wofür der Streik läuft: Lohnerhöhungen, vermuten die meisten; tatsächlich aber geht er ausschließlich gegen die Haushalts politik der alt–neuen Regierung Goria, die weder Programmme für die Arbeitslosen noch Entwicklungsgelder für den Süden eingeplant hat, geschweige denn die versprochenen Steuererleichterungen für Einkommensschwache realisieren will. Lustlosigkeit ist die Vokabel, mit der die meisten Chronisten das Unternehmen bezeichnen: kein Wunder längst ist die Initiative am Arbeitsplatz auf die Basiskomitees und die kleinen, autonomen, aber darum besonders wendigen kleinen Gewerkschaften übergegangen. Immerhin wurde wenigstens eine Nachricht auf den Piazze mit Klatschen aufgenommen: während die Arbeiter im Freien gegen Phantome ankämpfen, quält sich drinnen im Parlament Ministerpräsident Goria ebenfalls gegen eine Gespensterwelt: Offiziell ist es die „Antwort“ des Regierungschefs auf die Reden der Opposition nach seiner Regierungserklärung vom Montag. Doch die meisten in den Rednerlisten vorgemerkten Politiker haben gar nicht gesprochen, das alt–neue Programm war ihnen zu langweilig - und so spricht Goria vor leeren Bänken.