Erstmals Kirchenräume in der DDR durchsucht

■ Fünf Mitarbeiter der Umweltbibliothek festgenommen / Druckmaschinen und Manuskripte beschlagnahmt / Repressalien gegen kritische Gruppe, die versuchte, Gegenöffentlichkeit herzustellen / 14jähriger als einziger schon wieder auf freiem Fuß

Aus Ost–Berlin Brian Schuster

Die Auseinandersetzungen staatlicher Organe in der DDR mit kritischen Gruppen haben eine neue Qualität erreicht: In der Nacht zum Mittwoch hat die Staatssicherheit erstmals Räume der evangelischen Kirche durchsucht und dabei fünf Personen festgenommen. Die Aktion richtete sich gegen die „Umweltblätter“, einer Monatszeitschrift, die von der Ost–Berliner Umweltbibliothek (UB) unter dem Dach der Zionsgemeinde herausgegeben wird. Etwa 20 Vertreter der Stasi und der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Vervielfältigungsgeräte, Manuskripte, im Westen erschienene Bücher und auch einige Ausgaben der taz. Für die von Mitternacht bis 2.30 Uhr dauernde Aktion wurde ein Durchsuchungsbefehl ohne konkrete Begründung vorgelegt. Einer der Festgenommenen ist Wolfgang Rüddenklau, der als Hausmeister in der Zionsgemeinde tätig ist und zu den Gründern der Umweltbib liothek gehört. Seine Wohnung wurde am Nachmittag ebenfalls durchsucht. Gestern Mittag wurde einer der Festgenommenen, ein 14jähriger Schüler, wieder freigelassen. Die anderen sind Till Bötcher (17), Bodo Wolf– Niedlich und Bert Schlegel. Der Kirchenleitung Berlin–Brandenburg wurde mitgeteilt, gegen die Festgenommenen werde nach Paragraph 218 des DDR–Strafge setzbuches ermittelt. Danach ist der „Zusammenschluß zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele“ verboten. Die Umweltbibliothek besteht seit über einem Jahr und hat sich in dieser Zeit zu einer Art alternativem Kommunikationszentrum in der DDR entwickelt. Sie sammelt Bücher zu Themen wie Ökologie, Frieden, Religion oder Reisen, die dort auch ausgeliehen werden können. Die „Umweltblätter“ verstehen sich als eine Art Gegenöffentlichkeit in der DDR. Sie werden auf Wachsmatritzen hergestellt und haben eine Auflage von 600 Exemplaren. Neben Artikeln aus dem Themenbereich der UB werden auch Artikel aus westlichen Zeitschriften nachgedruckt. Die Repressalien gegen die UB, wie auch gegen andere kritische Gruppen in der DDR hatten in den vergangenen Wochen stark zugenommen. Unbekannte waren vor einigen Monaten in den Kellerräumen eingebrochen und Manuskripte entwendet. Letzte Woche war die UB bei einem nächtlichen Besuch vom Sekretariat für Kirchenfragen des Magistrats der Stadt Berlin auf die Genehmigungspflicht der Druckmaschine hingewiesen worden.