I N T E R V I E W Gegen die Speerspitze des Sexismus

■ Alice Schwarzer, Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma, zum Gesetzesentwurf gegen Pornografie

taz: Hat ein solches Gesetz, das Frauen und Mädchen vor der Erniedrigung durch Pornografie schützen soll, bei uns überhaupt eine Chance? In Amerika ist ein solcher Gesetzentwurf an der Meinungsfreiheit gescheitert. Alice Schwarzer: Dies ist nicht nur ein politisch denkendes, sondern auch nach der bestehenden juristischen Logik entwickeltes Gesetz. Wir sagen: Es gibt einen Mißbrauch der Meinungsfreiheit. Sowenig wie ich jemals ohne Widerspruch zulassen würde, daß man antisemitische Darstellungen veröffentlicht, oder rassistische, so selbstverständlich möchte ich mich wehren können gegen sexistische. Für mich als Feministin ist Pornografie die Speerspitze des Sexismus. Was ist aber mit der Meinungsfreiheit der Männer und Pornografen? Keine Meinungsfreihet für Pornografen, keine Meinungsfreiheit für Antisemiten, keine Meinungsfreiheit für Sexisten, keine Meinungsfreiheit für Rassisten. Das sagst du, aber die Leute die die Gesetze machen, sagen etwas anderes. Richtig, und deswegen schreien wir auch so laut. Die allererste Wirkung dieses Gesetzesvorschlages wird die symbolische Wir kung sein. Es ist jetzt etwas zum Anfassen. Die Frauen hier sagen nicht nur: die Pornografie steigt, das wollen wir nicht, nieder mit den Pornografen, sondern sie sagen hier: das fordern wir und wir fordern unser Recht. Ich denke, die symbolische Wirkung von Gesetzen darf man nicht unterschätzen. Wir fordern unser Recht und wir legen den Parteien und Parteifrauen den Knochen hin und sagen, jetzt kann es losgehen. Wir klagen ein, daß ihr handelt. In eurem Gesetzentwurf geht Paragraph zwei sehr weit, es läuft auf ein absolutes Verbot von Pornografie hinaus. Aber ihr hattet gesagt, Pornografie wollt ihr nicht verbieten. Natürlich wollen wir Pornografie verbieten, selbtverständlich. So, wie wir Pornografie definieren, wollen wir Pornografie auch verbieten. Sicherlich wird es Schwierigkeiten geben. Ich halte es aber für durchaus realistisch, daß bei allen weiblichen Abgeordneten ein Interesse für dieses Gesetz besteht. Frauen wissen nämlich, was los ist mit der Pornografie. Was ist eigentlich mit der Wortpornografie? Das ist auch Darstellung. Da fängt es doch erst an, interessant zu werden. Du hast doch gerade bei namhaften Autoren die übelsten Beschreibungen, daß es sexistischer nicht geht. Das geschriebene Wort ist genauso massiv wenn es um Schatten von Bildern in den Köpfen geht. Das finde ich auch. Als erstes werden wir Folgendes machen, nämlich wir werden genau das machen, was du jetzt sagst, wir werden fragen, was soll das denn und was soll dieses denn, und was ist denn davon zu halten. Von dem Gesetzesvorschlag verspreche ich mir im Jahr 1988 mehr symbolische Wirkung, wobei es mir auch ernst mit der Forderung ist, daß dies ein Gesetz wird. Was ist mit einem, der einen Mann beschreibt, der pornografische Gedanken im Kopf hat. Man kann sich doch immer damit herausreden, er kritisiere das gleichzeitig. Rausreden kann er sich immer, aber das ist ja in der Formulierung „verharmlosend“ oder „verherrlichend“ enthalten. Jemand, der einen Istzustand kritisch beschreibt, wenn es ein menschenunwürdiger Istzustand ist, der verharmlost nicht und verherrlicht nicht. Der macht keine Pronografie. Aber dadurch, daß man als paperback erscheint und nicht als Schmuddelheftchen unterm Ladentisch, ist man in dieser Sache noch nicht aus dem Schneider. Interview: Maria–Neef–Uthoff