Offensiv gegen Pornografisierung des Alltags

■ Die Frauenzeitschrift Emma stellt einen von ihr initiierten Gesetzesentwurf gegen Pornografie vor / Zentrale These: Pornografie wird immer weiter verbreitet und auch härter / Klagemöglichkeit von Frauen auf Schadensersatz und Unterlassung ist vorgesehen

Aus Bonn Helga Lukoschat

Emma rief und alle, alle kamen. Anläßlich der Vorstellung des von Emma initiierten Gesetzentwurfs gegen Pornographie erinnerte Herausgeberin Alice Schwarzer die bundesdeutsche Presse an eine gleichfalls medienwirksame Aktion der Frauenzeitschrift: die Klage gegen die Titelbilder, die „nackten Mädchen“, der Illustrierten Stern. Doch für Alice Schwarzer und die Redaktion der Emma geht es mittlerweile um mehr: „Bei der Stern– Klage nannten wir es noch Sexismus, heuten reden wir Tacheles und nennen es Pornographie“, verkündete Alice Schwarzer in ge wohnt angriffslustiger Rhetorik. Weil es „nicht mehr nur um Nacktheit geht, darum daß Frauen ihre Haut zu Markte tragen müssen, sondern sie ihnen vom Leibe gerissen wird“, sei die Offensive notwendig geworden. Der Gesetzentwurf, der im wesentlichen von der Hamburger Anwältin Petra Rogge in Orientierung an US–amerikanischen Entwürfen ausgearbeitet wurde, ist Teil einer seit Oktober dieses Jahres von Emma geführten Kampagne. Zentrale These der Kampagne ist dabei, daß Pornographie in den letzten zehn bis 15 Jahren nicht nur verbreiteter und gewalttätiger geworden ist, sondern eine schleichende „Pornographisie rung des Alltags und der Medien“ eingesetzt hat. Der Gesetzentwurf, der gestern früh den Abgeordneten des Bundestags und dem Justiz– und Familienministerium zuging - mit der ausdrücklichen Bitte an die weiblichen Abgeordneten, die Initiative zu unterstützen - basiert auf einer zivilrechtlichen Konstruktion: Frauen (und Mädchen) können dann auf Schadensersatz und Unterlassung klagen, wenn sie durch Pornographie „in ihrem Recht auf Würde und Freiheit, körperliche Unversehrtheit oder Leben verletzt“ werden. Dieser Generalklausel folgen fünf weitere Paragraphen, die sich mit der Definition von Pornogra phie, der Anspruchsberechtigung der Klagenden beschäftigen und auch den „Zwang zur Wahrnehmung von Pornographie“ thematisieren. Anders als der Gesetzgeber, der im §184 Strafgesetzbuch Pornographie als eine Frage des „Anstands“ behandele, so Alice Schwarzer in ihrer Erläuterung des Entwurfs, werde hier Pornographie als „im Wesenskern frauenfeindlich“ definiert. Ebenso betonte auch die Anti–Pornografie– Aktivistin Andrea Dworkin, wortgewaltige Feministin und Buchautorin aus den USA, daß es nicht um ein moralisches, sondern um ein „Menschenrechts–Gesetz“ gehe. Der Entwurf geht jedoch über die Möglichkeiten der Klage einzelner Frauen oder entsprechender Verbände und Institutionen hinaus. In Paragraph 2 sieht der Entwurf ein grundsätzliches Verbot der Herstellung von Pornographie vor und erlaubt die Verbreitung, Sammlung und Veröffentlichung nur unter der Voraussetzung eines „eindeutig wissenschaftlichen und gesellschaftskritischen Zweckes“. Ausdrücklich betonte Alice Schwarzer, daß diese Verbotsforderung nicht nur auf die sogenannten Gewaltpornos gemünzt sei, sondern auch der Bereich der Soft– Pornos und der Darstellungen in Herrenmagazinen getroffen werden soll. Wie die Reaktion der Parteien und der Parteifrauen ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Die grüne Bundestagsabgeordnete Verena Krieger äußerte vorab in einem Gespräch mit der taz bei allem Interesse für die Initiative und Sympathie für den Gedanken, die Pornoindustrie materiell anzugehen, Bedenken, daß einer „Tabuisierung des Themas Sexualität und Gewalt“ unter Frauen Vorschub geleistet werden könnte. Die „unglaubliche Schwierigkeit“ sei, die Grenzen zu ziehen, ab der sich Frauen erniedrigt fühlen würden. Auch Renate Schmidt vom Fraktionsvorstand der SPD und dem AK Gleichstellung konnte der Vorstellung einer Klagemöglichkeit auf Schadensersatz und Unterlassung „einen gewissen Charme“ abgewinnen. Allerdings ist für sie Voraussetzung, bei dieser Diskussion „nicht in die falsche Schlachtordnung zu geraten“ und dem „Mief der Fünfziger Jahre“ Vorschub zu leisten. Erfreut über die Emma–Initiative zeigte sich die CSU–Abgeordnete Ursula Männle. Weil Kritikern der Pornographie früher immer Prüderie und Puritanismus vorgeworfen worden wäre, sei sie froh, daß diese Diskussion jetzt einmal „von der Seite der Frauenbewegung“ angestoßen werde.