I N T E R V I E W „Die Amis werden das Depot nicht räumen“

■ Gespräch mit der Mutlanger Pressehütte über die Genfer Abrüstungsverhandlungen

taz: Im Moment sieht es so aus, als ob der Vertrag über die Abschaffung atomarer Mittelstreckenraketen der USA und der UdSSR perfekt ist. Was erwartet ihr euch davon? Pressehütte: Eine weitere Militarisierung. Der Vertrag wird zwar als Abrüstungserfolg verkauft, trotzdem wird weiter aufgerüstet. Im konventionellen wie im atomaren Bereich. Zum Beispiel sollen Cruise Missiles auf Flugzeugen und Schiffen stationiert werden. Es bestehen Pläne, französische Atomwaffen in der BRD zu stationieren, und dazu kommt die Militarisierung des Zivillebens. Bemerkt ihr hier in Mutlangen irgendwelche Reaktionen auf die Genfer Einigung? Im Gegenteil. Erst heute morgen sind wieder neun Pershing II aus dem Depot herausgefahren. In diesem Jahr war das schon die 23. Ausfahrt. So viele hat es noch in keinem Jahr zuvor gegeben. Die Drei– Jahres–Frist im Vertrag deutet auch darauf hin, daß neue Systeme angeschafft werden sollen. Bisher sieht es nicht so aus, als ob die Pershing–Einheiten aufgelöst werden. Wir glauben nicht, daß die Amis das Depot hier räumen werden. Wie schätzt ihr euren Beitrag, oder allgemeiner, die Rolle der Friedensbewegung für das Zustandekommen des Vertrags ein? Prozentual ist der Anteil der Friedensbewegung nicht sehr groß. Als Hauptursache sehen wir, daß sowohl Reagan als auch Gorbatschow innenpolitischen Zwängen ausgesetzt sind, und sie deswegen außenpolitische Erfolge brauchen. Die Friedensbewegung hat allerdings ein Umfeld geschaffen, daß zum Beispiel der Vertrag in der BRD nicht blockiert werden konnte. Die Öffentlichkeit ist für Fragen der Friedenssicherung sensibilisiert worden. Wir überlegen aber, ob es richtig war, daß wir uns so stark auf die Pershing beschränkt und nicht das gesamte militärische System infrage gestellt haben. Seht ihr darin eine Aufgabe für die Zukunft der Pressehütte, oder löst ihr euch nun auf? Als Gruppe haben wir keine feste Perspektive. Von den derzeit etwa zehn, zwölf Leuten wird wohl die Hälfte gehen und die andere Hälfte bleiben. Wie wir weitermachen steht noch nicht fest. Auf alle Fälle muß das Spektrum aufgefächert werden. Wir denken an eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, zum Beispiel im Hunsrück oder in der Pfalz, und an eine verstärkte Regionalisierung der Arbeit. Interviewer: Werner Jany