Reagan hat Probleme im Senat

Für Michail Gorbatschow ist am Dienstag mit der Einigung über einen INF–Vertragsentwurf die Sache gelaufen, denn noch ist es nichtvorstellbar, daß die KPdSU dem Verhandlungsergebnis nicht zustimmen würde. Für Präsident Reagan ist die Lage etwas kompli zierter. Verträge, die er unterschreibt, können erst in Kraft treten, nachdem der Senat ihnen seinen Segen gegeben hat. Zwar glaubt kaum einer der Washingtoner Experten, daß die 100 Senatoren dem INF–Vertrag das gleiche Schicksal bereiten werden wie dem 1979 zwischen Jimmy Carter und Leonid Breschnew ausgehandelten SALT–II–Vertrag. Jenes Abkommen brachte es nie zu der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Doch ist jetzt schon absehbar, daß einige Senatoren des rechten Flügels die Ratifizierungsdebatte im nächsten Jahr nutzen werden, um zumindest weitere Rüstungsabkommen im Keim zu ersticken. „Es ist nicht so sehr das INF– Abkommen, sondern was danach kommt“, erläutert der erzkonservative Senator James McClure, ein Republikaner aus Idaho, seinen Widerstand. Er habe immer noch eine Menge Vertrauen in Ronald Reagan, fügt er hinzu, aber wenig in einen Verhandlungsprozeß, in dem ein Zugeständnis das nächste nach sich ziehe. Einige Senatoren wollen das Verfahren nutzen, um sowohl dem Weißen Haus als auch der Sowjetunion zu demonstrieren, daß der Kongreß ein wichtiges Mitspracherecht in der Außenpolitik hat. Senator Nunn, der konservative Militärexperte der Demokratischen Partei, sagt, er erwarte einige Zusätze zu dem Entwurf, etwa, um die Notwendigkeit einer starken konventionellen Militärpräsenz in Europa zu unterstreichen. Ein harter Kern republikanischer Senatoren vom äußersten rechten Flügel - nicht mehr als ein halbes Dutzend Parlamentarier - will das Vertragswerk zu Fall bringen. Diese Gruppe erwägt, Zusätze einzubringen, die ein Inkrafttreten des INF–Vertrags verhindern, solange die Sowjetunion frühere Abkommen wie den SALT–II– oder den ABM–Vertrag nicht einhalte. Noch Ende September war ein solcher Antrag mit 62 zu 28 Stimmen im Senat gescheitert. Während Ronald Reagans dereinst enthusiastischste Unterstützer das Abkommen skeptisch beurteilen, wird es in der Demokratischen Partei nahezu einhellig begrüßt. Unter den entschiedeneren Rüstungsgegnern in den zahlreichen Friedensorganisationen der USA herrscht gleichfalls Uneinigkeit. Die linke Monatszeitung Progressive etwa kritisiert heftigst, daß mehrere Friedensgruppen im Mai mit Beamten des Weißen Hauses Möglichkeiten einer Unterstützung des Ratifizierungsprozesses erörtert haben. „Diese Friedensgruppen, wie so viele andere Organisationen vor ihnen“, so das Blatt, „sind in die Lobbyistenfalle gegangen, durch die viele radikale Anliegen verwässert worden sind. Der Platz für Friedensaktivisten ist außerhalb der Korridore des Kapitols, unsere Macht liegt in den Graswurzeln, und dort sollten wir die Pflänzchen des Widerstands kultivieren“. Stefan Schaaf