Jaruzelski sonnt sich im Erfolg

■ Mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten folgten dem Aufruf der Regierung und nahmen an der Wahl teil / Protestdemonstrationen gegen die Abstimmung wurden aufgelöst / Sechs Personen festgenommen / Unentschlossene Haltung polnischer Oppositioneller

Berlin (afp/taz) - Fast 68 Prozent der knapp 27 Mio. Wahlberechtigten in Polen sind am Sonntag dem Aufruf der Regierung von General Jaruzelski gefolgt und haben an der Volksbefragung über die wirtschaftlichen und politischen Reformen teilgenommen. Von seiten der Regierung wird die Wahlbeteiligung schon jetzt als „voller Erfolg“ gewertet; man sieht darin eine Niederlage nicht nur für die Opposition, sondern vor allem auch für die Konservativen in den eigenen Reihen, die in dem Referendum und der Reformpolitik eine Gefahr für die Vormachtstellung der Kommunisten erblicken. Die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung zeige, daß es „zunehmend weniger Reformgegner“ in Polen geben, schrieb am Montag die Regierungszeitung Rzeczpospolita. Die Wahlbeteilung liegt immer noch um zehn Prozent unter der der Parlamentswahl von 1985 ( 78,86 Prozent). Genaue Ergebnisse über den Ausgang der Wahl sollten erst gestern abend nach Redaktionsschluß vorliegen. In einigen Großstädten Polens hatten Abstimmungsgegner zu Demonstrationen aufgerufen, die jedoch vergleichsweise wenig Resonanz fanden. In Danzig (Gdansk) zogen nur rund 1.000 Demonstranten durch die Straßen, um die Bevölkerung aufzufordern, der Abstimmung fernzubleiben. Die Demonstranten versuchten, zur Gedenkstätte der Opfer der Arbeiteraufstände von 1970 zu ziehen, wurden aber durch die Polizei mit Schlagstockeinsatz daran gehindert. Daraufhin flogen Steine aus der Menge in Richtung Polizeikordon. In Warschau waren es über 3.000 Protestierende, die zunächst den Aufruf der Polizei, die Demonstration aufzulösen, ignorierten, dann aber nach dem Appell eines Priesters freiwillig nach Hause gingen. Die Miliz begnügte sich hier mit der Festnahme mehrerer Personen. In Krakau waren es sechs Demonstranten, darunter Mitglieder von „Freiheit und Frieden“, die festgenommen wurden. Daß Lech Walesa - ganz gegen seine sonntägliche Gewohnheit - in der Danziger Kirche, von wo die Demonstration in dieser Stadt ausging, nicht erschien, zeigt die unentschlossene und differenzierte Stimmung innerhalb der polnischen Opposition gegenüber dem Referendum an. Auch die katholische Kirche hatte sich im Vorfeld der Diskussion weder für noch gegen das Referendum exponiert. Die Pressestelle des Episkopats teilte am Montag auf Anfrage lediglich mit, man verfüge über keinerlei Informationen darüber, ob und wie der Klerus und die Bischöfe abgestimmt hätten. Der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums bezeichnete das polnische Referendum als wichtigen Test für Reformen. er