Konjunkturprogramm mit der heißen Nadel genäht

■ Börsenhektik springt auf Politiker über / Schelte von den Finanzmärkten

Von Georgia Tornow

Die Zeit der zweckoptimistischen und auf Beruhigungswirkung angelegten Politiker–Reden ist vorbei. Während die Spekulationen in Aktien am Montag - ausgehend von dem Rekordtief des Dollar– Kurses - eine neue Talfahrt erlebt haben, treiben die Spekulationen über Bonner Maßnahmen zur Stärkung der Konjunktur immer neue Blüten. Von allen Seiten hagelt es Ratschläge. Nachdem Kanzler Kohl bereits am Freitag in einem Fernsehinterview von Zinssenkungen sprach, ist am Wochenende in Bonn vor allem ein Konjunkturprogramm in Höhe von 15 Milliarden Mark, finanziert von der Kreditanstalt für den Wiederaufbau, in die Gerüchteküche eingebracht worden. Am Montag wollte sich die Regierungsseite zu keiner der beiden Maßnahmen definitiv äußern, was weiter Ratgeber anspornte. Graf Lambsdorff verlangte wie immer die Senkung von Unternehmenssteuern, während Franz Josef Strauß sich mit einer Kehrtwendung zu Wort meldete: Es sei zu lange mit der Senkung von Diskont– und Lombardsatz, den Leitzinsen der Bundesbank, gewartet worden, - eine deutliche Kritik an Stoltenberg, der damit nämlich dem US–Finanzminister Baker einen willkommenen Anlaß geboten hätte, der deutschen Seite die Schuld am Börsenkrach in die Schuhe zu schieben. Jetzt müsse ein deutliches Signal erfolgen. Der saarländische Ministerpräsi dent Oskar Lafontaine begrüßte die Gerüchte über ein Konjunkturprogramm, Sozialdemokraten und Gewerkschaften hätten schließlich schon länger auf die Notwendigkeit staatlicher Konjunkturmaßnahmen hingewiesen. Der Städtetagspräsident kündigte bereits an, von diesem Konjunkturprogramm müßten vor allem die strukturschwachen Gemeinden, durch die Steuerreform arg gebeutelt, profitieren. Nicht der reiche Süden, sondern der arme Norden sollte Hauptadressat sein. In einem Gespräch am Dienstag haben Finanzminister Stoltenberg und Wirtschaftsminister Bangemann eine Vorlage für die Kabinettssitzung am Mittwoch vorbereitet. Die darin enthaltenen Maßnahmen sollen dazu dienen, daß das Wirtschaftswachstum doch noch über die von den „Fünf Weisen“ prognostizierte 1,5 Wirksamkeit der Maßnahmen ist von deutlichem Zweifel geprägt. Kritisiert wird an den Finanzmärkten insbesondere die Führungsschwäche der Politiker, die sich in ihrer Unklarheit niederschlage. „Es werden keine klaren Aussagen gemacht, um sich alle Möglichkeiten offenzuhalten“, zitiert dpa die Frankfurter Börse. Auch von einer für wahrscheinlich gehaltenen Senkung des Diskontsatzes auf der Sitzung des Zentralbankrates werden wenig Impulse für die Konjunktur erwartet. Was den Unternehmen fehle, seien nicht liquide Mittel, sondern klare Perspektiven. Wann das dringend geforderte G–7–Treffen, die Runde von Notenbankchefs und Finanzministern der wichtigsten Industriestaaten, stattfindet, ist offenbar noch offen. Offensichtlich wird abgewartet bis der US–Kongress das Sparbudget tatsächlich verabschiedet hat. Die Flucht der Anleger in das Gold und damit das Hochtreiben des Goldpreises wird als Skepsis gegenüber der internationalen Politik gewertet, die zwar davon rede, daß die Weltwirtschaftskrise von 1929 sich nicht wiederholen würde, aber nichts dafür täte.