: Mit Mumm für weniger Rechte
■ Nicht nur Vermummungsverbot wird verschärft Brisant: Paragraph 130b / Heute im Kabinett
Aus Bonn Oliver Tolmein
Im Vorfeld der heutigen Kabinettssitzung zum Thema Innere Sicherheit ist der Entwurf für die seit längerem geplanten Gesetzesverschärfungen bekannt geworden. Der Maßnahmekatalog, der weit über die Strafbewehrung eines Vermummungsverbots hinausgeht, ist als Artikelgesetz konzipiert, und beinhaltet schwerwiegende Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes. Er soll aber nach Informationen der taz erst im nächsten Frühjahr endgültig beschlossen werden, weil vorher Abstimmungen mit den Bundesländern erforderlich sind. Das Kabinett wird deswegen heute das Artikelgesetz, über das weitgehende aber keine restlose Einigkeit besteht, nicht offiziell verabschieden, sondern lediglich seine Zustimmung zu einer endgültigen Ausarbeitung erklären. Dieses vorsichtige Taktieren ist auf die Wünsche der FDP–Spitze zurückzuführen, die vor dem Bundesparteitag am 12. Dezember den immer stärker werdenden KritikerInnen an den Gesetzesverschärfungen in den eigenen Reihen nicht durch weiteres ungeschicktes Vorgehen zusätzlich Argumentationsmaterial liefern will. Fortsetzung auf Seite 2 Bemerkenswert an dem Artikelgesetz ist vor allem, daß in einem neugeschaffenen Paragraph 130b die „Befürwortung von Straftaten bei Störung des öffentlichen Friedens“ unter Strafe gestellt werden soll. Diese Vorschrift geht über den alten, mit den Stimmen der FDP abgeschafften, Paragraph 88a (“verfassungsfeindliches Befürworten von Straftaten“) deutlich hinaus. Strafbar soll demnach sein, wer „die Begehung einer in Paragraph 126, Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat befürwortet“. In Paragraph 126, Absatz 1 werden unter anderem neben Straftatbeständen wie schwerer Landfriedensbruch, Mord, Totschlag, Völkermord auch die Paragraphen 225 (Beabsichtigte schwere Körperverletzung), 306–308 (Brandstiftung), 315 (Gefährliche Eingriffe in den Bahn–, Schiffs– und Luftverkehr) oder 316 b (Störung öffentlicher Betriebe) genannt. Als äußerst folgenreich wird sich die von Bundesinnen– und Bundesjustizministerium gemeinsam erarbeitete Verschärfung des Versammlungsrechts erweisen. Es enthält nach bisherigen Informationen das vieldiskutierte „Strafbewehrte Vermummungsverbot“. Von der derzeitigen Regelung unterscheidet es sich vor allem durch den Strafrahmen: Vermummung wird nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat bewertet und deswegen höher bestraft. Anders als bei der derzeit gültigen Regelung soll aber nicht nur die Vermummung verboten und unter Strafe gestellt werden, sondern auch die Mitnahme von Kleidungsstücken und Gegenstände, die sich zur Vermummung eignen, zu Demonstrationen. Neu ins Versammlungsgesetz soll außerdem der Straftatbestand „Aufruf zur Teilnahme an einer verbotenen öffentlichen Versammlung“ eingeführt werden. Ein weiterer Punkt des Artikelgesetzes ist die Kronzeugenregelung, die bis 1991 gelten soll. Strittig bei der Kronzeugenregelung ist allerdings nach Informationen der taz immer noch, ob die Entscheidung, wer als Kronzeuge anerkannt wird, vom Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof oder vom Gericht, das für den Prozeß zuständig ist, entschieden werden soll. Außerdem sollen, wie in Bonn zu hören war, auf der Kabinettssitzung auch strittige Punkte angesprochen werden, über die allerdings nach Meinung von Beobachtern Einigkeit zwischen CDU/ CSU und FDP herzustellen sein wird: Dabei soll es vor allem um die Strafbarkeit von Sitzblockaden (Paragraph 240 StGB) und um die Verschärfung des Kontrollstellen–Paragraphen 111 Strafprozeßordnung gehen.
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