„Die den Widerstand unterschätzt“

■ Interview mit Theo Stegmann, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Krupp–Rheinhausen in Duisburg, zu der beabsichtigten Stillegung des

taz: Der Krupp–Vorstand hat in der vergangenen Woche angekündigt, den Stahlstandort Rheinhausen dicht zu machen. 6.000 Arbeitsplätze wären futsch. Ihr seid bisher von ganz anderen Unternehmensplanungen ausgegangen? Theo Stegmann: Wir hatten ja schon im April hier einen Riesenrabbatz um das sogenannte „Optimierungskonzept“ von Krupp. Grundlage dieses Konzeptes war die Erhaltung aller Stahlstandorte. In Rheinhausen wollte der Vorstand die Belegschaft von 6.000 auf 4.200 reduzieren. Vom Grundsatz her hat der Betriebsrat diesem Konzept zugestimmt, ohne sich allerdings auf eine Endzahl festzulegen. In der letzten Woche haben wir dann einen Tip über die Kooperationsverhandlungen zwischen Krupp, Mannesmann und Thyssen bekommen, deren erklärtes Ziel die Stillegung der Hütte in Rheinhausen ist. Wir haben dann am Donnerstag im Wirtschaftsausschuß die Bestätigung erfahren und dem Vorstand erklärt, wir würden sofort die Belegschaft und die Öffentlichkeit informieren. Die Vorstände der drei Konzerne hatten vor, das Konzept noch ein paar Monate geheimzuhalten, um die technischen Vorraussetzungen für die Produktionsverlagerungen in aller Ruhe schaffen zu können. Diese Strategie ist erst mal zerschlagen. Nun hat es am Sonntag angesichts der scharfen Proteste neue Verhandlungen gegeben. Was hat der Vorstand angeboten? Das waren nicht übliche Proteste. Hier ist der Teufel los. Das ging soweit, daß der Vorstandsvorsitzende Dr. Gerhard Cromme beim Verlassen der Bühne verprügelt worden ist. Die haben das Widerstandspotential in Rheinhausen schlicht unterschätzt. Am Sonntag sind wir dann zum Gespräch eingeladen worden. Am Ende stand eine Vereinbarung, in der der Vorstand seine Bereitschaft erklärt, mit uns über andere Modelle zu reden, die die langfristige Sicherung des Standortes Rheinhausen bedeuten können. Ist das mehr als eine Absichtserklärung? Nichts ist das. Eine Hinhaltetaktik, um etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen, mehr nicht. Cromme bleibt nach wie vor bei seinem Konzept. Habt ihr denn Hoffnung, das noch verhindern zu können, angesichts der Erfahrungen von Hattingen. In Hattingen haben sie doch fast alles versucht und trotzdem verloren. Innerbetrieblich sind wir im Moment in einer stärkeren Position als die Hattinger. Die Gegenseite kann zur Zeit unsere Produktion schon rein technisch nicht verlagern. Wenn hier die Produktion unterbrochen wird, dann entstehen reale Verluste. 70 Prozent von dem, was wir hier schaffen, geht direkt zur Weiterverarbeitung nach Krupp–Bochum. Wir haben ein ökonomisches Druckpotential und die Leute sind bereit - wir haben ja schon mehrere Schichten ausfallen lasssen - es zu nutzen. Der Widerstand ist bei uns auch deshalb härter, weil die Belegschaft sich unheimlich verarscht vorkommt. Im April erzählt der Vorstand, der Standort ist gesichert, schließt mit uns Vereinbarungen, um dann heimlich das Ende vorzubereiten. Das lassen die Menschen hier nicht mit sich machen. Hinzu kommt, daß wir seit April an einem Modell zur Weiterqualifizierung von Kollegen arbeiten, denen bei Garantie ihres Einkommens eine zweijäh rige Umschulung angeboten werden soll, wobei die „Qualifizierungsschleife“ mit einer Wiedereinstellungsgarantie bei Krupp verbunden ist. Die Stadt Duisburg hat dafür inzwischen an erster Stelle Mittel aus dem Landesprogramm „Zukunftsintiative Montanunion“ beantragt. Außerdem haben wir eine Reihe von Vorschlägen für Ersatzarbeitsplätze gemacht. Auch diese beiden Ansätze machen sie jetzt kaputt. Diskutiert ihr die Möglichkeiten von Streiks und Betriebsbesetzungen? Es sind alle Wege offen. Im Augenblick haben wir uns entschieden, flexibel zu reagieren. Die Belegschaft ist solange nicht bereit, die Produktion normal weiterlaufen zu lassen, wie die Kooperationspläne weiter auf dem Tisch liegen. Bei uns läuft jeden Tag was und die Belegschaft wird wohl weitere Schichten kurzfristig ausfallen lassen, so daß die andere Seite überhaupt nicht weiß, wann produziert wird. In einem Hüttenwerk entstehen dabei natürlich hohe Kosten. Am Dienstag abend wird über das Mittel der Betriebsbesetzung diskutiert. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen, aber wir sind uns darüber im klaren, daß wir eine Entscheidung in unserem Sinne schnell erreichen müssen. Je länger die uns hinhalten, um so geringer wird unser Druckpotential. Unsere Position wird durch Abwarten nicht besser - und hierfür gibt es viele Erfahrungen -, weil die Geschlossenheit auf Dauer bröckelt, weil Menschen abwandern und in Resignation verfallen. Zur Zeit ist die Belegschaft, gerade weil es alle betrifft, radikalisiert und absolut kampfbereit. Im Augenblick ist alles möglich. Habt ihr euch Fristen gesetzt. Nein. Aber es kann sein, daß die Belegschaft in den nächsten Tagen den Durchmarsch beschließt, bis die Gegenseite klein beigibt. Die Stimmung ist danach. Da ist eine unheimliche Wut. Selbst wenn der Betriebsrat wollte, könnte er die normale Produktion überhaupt nicht aufrecht erhalten. Wie steht es um die Solidarität mit den anderen Stahlbelegschaften? Durch die jahrelange Zermürbungstaktik der Unternehmer, durch das Gegeneinanderausspielen der Belegschaften, ist die Solidarität ziemlich im Eimer. Die IG– Metall war bisher auch nicht in der Lage, eine gemeinsame Strategie für den ganzen Stahlbereich durchzusetzen. Wir versuchen auf Duisburger Ebene bei Mannesmann und Thyssen etwas gemeinsames auf den Weg zu bringen, aber klar ist, daß wir uns auf unseren eigenen Kräfte verlassen müssen. Es gab bisher keinen Weg, den Schrumpfungsprozeß in der Stahlindustrie zu stoppen. Daran werdet auch ihr nichts ändern können. Das ist eine globale Betrachtung, die davon ablenkt, was hier passiert. Gäbe es ein Gesamtkonzept für die Stahlindustrie, wäre es Schwachsinn, in Duisburg ein modernes Stahlwerk stillzulegen. Duisburg ist wegen der Wasserwegeanbindung ein idealer Standort. Nur, es gibt kein Gesamtkonzept..... ...zumindestens drei Unternehmen wollen in eurem Fall kooperieren... Ja , die einigen sich hier darauf, die Hütte kaputt zu machen, auf sonst nichts. Methode Kahlschlag heißt die Devise. Wir sträuben uns doch nicht gegen eine langsame Umwandlung der Stahlregionen. Das zeigen ja unsere Aktivitäten für die Weiterqualifizierung und Ersatzarbeitsplätze. Bundesarbeitsminister Blüm sagt auch in eurem konkreten Fall: „Anpassung muß sein, aber sozial abgefedert“. Das war ja auch immer die Position der früheren SPD–Bundesregierung und wurde vom IG–Metall Vorstand mitgetragen. Was haltet ihr davon? Diese Linie ist doch für uns inzwischen völlig unakzeptabel. Das interessiert uns schon deshalb nicht, weil die Position, es darf keine Massenentlassungen geben, politisch längst durchgesetzt ist. Wenn von Blüm und der SPD nicht mehr kommt, dann sollten sie besser gleich ihre Sachen packen. Das Gespräch führte Walter Jakobs