„Besonnenheit hängt uns zum Hals raus

■ Veranstaltung der Hanns–Seidel–Stiftung zum Thema „Demonstration - ein Freiraum für Straftäter und Chaoten“ / Die Anwesenden waren sich einig, daß ein starker Staat her muß / Gauweiler sieht die „Blutspur vom Schleyermord zu den Startbahnschüssen“

Aus München Wolfgang Gast

„Wer vermummt ist, hat Dreck am Stecken und muß aus dem Verkehr gezogen werden“, erklärt Staatssekretär Peter Gauweiler und über 400 BesucherInnen im „Pschorr– Keller“ an der Münchner Theresienwiese klatschen begeistert Beifall. Eingeladen hat am Dienstag abend die CSU–nahe „Hanns– Seidel–Stiftung“. Das Thema der Veranstaltung heißt „Demonstrationen - Ein Freiraum für Straftäter und Chaoten“. Wie dieses Motto bereits vermuten ließ, handelt es sich um ein Treffen von Befürwortern einer Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts. Ein großer Teil des Publikums sind zudem Polizisten. Das Podium besteht aus „Polizei–Praktikern“, dem Staatssekretär Gauweiler, dem Regensburger Polizeipräsidenten Fenzl, dem Hundertschaftsführer Kallmünzer aus Würzburg sowie dem Polizeihauptkommissar Becker, aus dessen Hundertschaft einer der beiden getöteten Polizisten an der Frankfurter Startbahn stammt. Für die Deutsche Polizeigewerkschaft spricht Gerhard Vogler. Und Joachim Weiß, Vorsitzender der bayerischen Gewerkschaft der Polizei wird im Laufe des Abends Zielscheibe heftiger Kritik, weil seine Organisation ein strafbewehrtes Vermummungsverbot ablehnt. „Wir brauchen keine Überreaktion, wir brauchen endlich eine Reaktion des Staates auf die terroristische Gewalt“, führt der Staatssekretär aus dem Bayerischen Innenministerium an. Er ist der Überzeugung, daß die „politische Blutspur“ damals schon gelegt worden ist, 1972 bei den Olympischen Spielen in München. Damals wurde der Polizist Fliegenbauer beim Anschlag palästinensicher Gruppen von den Attentätern erschossen. Gauweiler schlägt einen weiten Bogen, über die Attentate der RAF auf Schleyer, Beckurts und von Braunmühl bis hin zu den Schüssen an der Frankfurter Startbahn West. „Wir glauben, daß die Aggressivität autonomer Militanz seit Jahren verharmlost wird“ und im Gegenzug hat er den Eindruck, daß die „wenigen polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten“ von der Politik derzeit eher geschwächt werden. Seine Forderungen sind altbekannt: ein strafbewehrtes Vermummungsverbot, die Verschärfung des Landfriedensbruch–Paragraphen auf die alte Fassung von vor 1970. Neu sind jedoch zwei Anträge, die nach seiner Aussage von der bayerischen Staatsregierung in den Bundesrat eingebracht werden sollen. Das strafbewehrte Vermummungsverbot soll demnach bereits auf dem Weg zu einer Versammlung gelten und die Wiederholungsgefahr beim Landfriedensbruch als Haftgrund soll erheblich ausgedehnt werden. Einig sind sich alle, die BesucherInnen und die Referenten: Die Gefahr geht von den Autonomen aus, der Staat ist gefordert und muß wieder für „richtige Verhältnisse“ sorgen. Soziale Ursachen oder politische Konsequenzen im Umgang mit radikalen Minderheiten werden nicht diskutiert. Die Versammelten setzen allein auf polizeiliche Maßnahmen. Eine Kontroverse findet dann doch noch statt, als Joachim Weiß die Position seiner „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) umreißt. „Es gibt für uns noch keine Beweise, daß ein strafbewehrtes Vermummungsverbot die Gewalttäter abschrecken wird“,und ob sich dadurch künftig weniger Leute vermummen würden, bleibt für ihn zweifelhaft. Die Schaffung des Straftatbestandes bei dem ohnehin schon bestehenden Verbot der Vermummung bedeute lediglich die Einführung des Legalitätsprinzips. Danach wäre die Polizeiführung zum Eingreifen gezwungen, ohne Rücksicht auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit und der Lage vor Ort. Sein Kollege Vogler von der Polizeigewerkschaft hält ihm deshalb vor, die „GdP macht sich faktisch zum Interessenvertreter der Gewalt“. Die BeamtInnen fühlten sich eh schon von Gott und der Welt verlassen. Von den Priestern, weil sie mit dem Symbol der Säge zum Widerstand gegen die WAA aufrufen und von der „Zwei–Mann Demokratie, nämlich Baum und Hirsch“, die die Gesetzesänderungen in der Bonner Koalition blockierten. „Von Besonnenheit zu faseln hängt uns zum Hals raus“. Alte Mythen werden ausgegraben, unter anderem von Hundertschaftsführer Becker, der bei der Hanauer Demonstration gegen die Atomanlagen NUKEM und ALKEM Geld gesehen haben will, „die sind bezahlt worden“. Von wem, weiß er allerdings nicht. Auch Gauweiler „will schon mal diese Frage stellen. Wenn man sieht, was dort (gemeint ist die Hamburger Hafenstraße, wg) an Leuchtspurmunition verschossen worden ist, wer zahlt das alles?“