Buschhaus: Der große Bluff

■ Die Rauchgasentschwefelung des Kraftwerks Buschhaus ist offiziell nie in Betrieb gegangen / „Wir wußten gar nicht, ob das funktioniert“ / Höchstmenge an Giftausstoß wird weiter überschritten

Aus Hannover Jürgen Voges

Die Entschwefelungsanlage des Kraftwerks Buschhaus hat bis heute nie funktioniert und ist formaljuristisch bisher nicht in Betrieb gegangen. Bereits am 25. Juli hatte dagegen Ministerpräsident Ernst Albrecht per symbolischen Knopfdruck die Anlage für die Medien in Betrieb genommen und dabei behauptet: „Das Kraftwerk hat jetzt die umweltfreundlichste Rauchgasentschwefelungsanlage, die es zur Zeit auf der Welt gibt.“ „Wir haben im Juli gar nicht die Inbetriebnahme der Rauchgasentschwefelungsanlage gefeiert, sondern nur deren Errichtung“, sagte dazu gestern das für Kraftwerke und Technik zuständige Vorstandsmitglied der Braunschweiger Kohlenbergwerke (BKB), Klaus Friedrich, zur taz. „Wir hatten damals quasi das Auto zwar zusammengebaut, wußten aber noch nicht, ob es überhaupt fährt.“ Der damalige Knopfdruck des Ministerpräsidenten sei wirklich rein symbolisch gewesen. Zum Laufen bringen sollte die Herstellerfirma Davy McKee die Entschwefelungsanlage dann im Juli und August. Auf diese beiden Monate hatte die BKB von vornherein die alljährliche Überholung, die Revision, von Buschhaus gelegt. Der zweimonatige Probebetrieb, der Voraussetzung für die offizielle Abnahme der Entschwefelungsanlage durch das Gewerbeaufsichtsamt ist, habe am 1. Oktober beginnen sollen, sagte BKB–Vorständler Friedrich. Nach Angaben von Friedrich erhielt die BKB von der Herstellerfirma Davy McKee am 20. Oktober folgende Mitteilung: In dem Waschwasser der Entschwefelungsanlage, in der das S0 2 vor allem als Natriumsulfit gebunden werden sollte, bilde sich viermal mehr Natriumsulfat, als man vorausberechnet hatte. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 „Die Ausschleußungsanlage für Natriumsulfat, eine Art Zentrifuge“, so sagte Klaus Friedrich, „müßte die vierfache Kapazität haben.“ Bisher lasse sich mit der Anlage nur ein Viertel der bei Vollastbetrieb in Buschhaus und Offleben C anfallenden Rauchgase entschwefeln, ohne daß der kritische Wert von 6 Prozent Natriumsulfat im Waschwasser überschritten werde. „Die Entschwefelungsanlage hat nie das gemacht, was sie soll, ist bis heute nicht abgenommen worden und damit formaljuristisch nie in Betrieb gegangen“, sagte das BKB– Vorstandsmitglied wörtlich zur taz. Trotz der defekten Entschwefelungsanlage will die BKB allerdings mit Buschhaus und dem Block C des Kraftwerkes Offleben II, der ebenfalls an die Entschwefelungsanlage von Buschhaus angeschlossen ist, in den vergangenen Monaten den vorgeschriebenen Grenzwert von 400 mg SO2 pro Kubikmeter Abluft eingehalten haben. Der geringen Leistung der Entschwefelungsanlage entsprechend habe man immer nur entweder Buschhaus oder den etwa gleich großen Block C von Offleben II mit halber Last laufen lassen. Dennoch rechnet auch Vorstandsmitglied Klaus Friedrich damit, daß die BKB mit allen ihren Kraftwerken „in etwa drei Monaten“ die ihr für den Zeitraum Juli 1987 bis Juni 1988 zugestandene Höchstmenge von 35.000 Tonnen SO2 Ausstoß überschreiten wird. Diese Höchstmenge und auch die Inbetriebnahme der Entschwefelung von Buschhaus bis spätestens zum 1.Juli dieses Jahres hatten das Land Niedersachsen, der Bund und die BKB im Jahre 1985 in einem sogenannten Stufenplan vertraglich vereinbart. Um die nahen Phoenix–Gummiwerke kontinuierlich mit Prozeßwärme versorgen zu können, so sagte Vorständler Friedrich, müsse man jetzt die Blöcke A und B von Offleben II ständig betreiben. Diese Blöcke werden aber nur durch die Zugabe von Kalk „entschwefelt“. Durch dieses Verfahren lassen sich lediglich 15 Prozent des Schwefelgehalts der Kohle zusätzlich in der Asche binden, erklärte selbst das Vorstandsmitglied. Seiner Ansicht nach wird die Entschwefelungsanlage in Buschhaus frühestens in einem Jahr voll funktionsfähig sein. Allein neun Monate bis ein Jahr betrage die Bauzeit für eine zusätzliche Sulfatabscheidungsanlage.