Mach mich nicht bange Mann!

■ Kabinett einig über Gesetzesverschärfungen / Formelle Entscheidung in zwei Wochen

Bonn (taz) - Das Bundeskabinett hat bei seiner gestrigen Sitzung zum Thema Innere Sicherheit entschieden, erst am 16.Dezember offiziell über ein Artikelgesetz zur Verschärfung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsrechts sowie die Einführung der Kronzeugenregelung zu entscheiden. Dieses Datum wurde mit Rücksicht auf den FDP Parteitag am 12. diesen Monats gewählt, obwohl innerhalb des Kabinetts bereits heute grundsätzlich Einigkeit über die Gesetzesverschärfungen herrscht. Auf einer FDP–Pressekonferenz machte Wirtschaftsminister Bangemann allerdings eine Einschränkung: Er werde dem Gesetzespaket nur zustimmen, wenn Bundeskanzler Kohl öffentlich erkläre, daß es in dieser Legislaturperiode zu keiner Neuauflage der Diskussion über weitere, altbekannte Verschärfungswünsche der CDU/CSU kommen werde. Ausdrücklich nannte Bangemann dabei die Wiedereinführung des alten Landfriedensbruchparagraphen, nach dem sich alle strafbar machen, die nicht nach der dritten Auflösungsverfügung der Polizei eine Demonstration verlassen. Bangemann hat diese Forderung, die er vor der Presse vertrat, allerdings nicht in der vorangegangenen Kabinettsitzung zu Protokoll gegeben, so daß Regierungssprecher Ost sie nicht kommentieren wollte. Oliver Tolmein Fortsetzung auf Seite 2 Siehe auch Analyse unseres Bonn–Korrespondenten Seite 5

Der Staatssekretär im Bundesinnenministerum Neusel stellte allerdings fest, Innenminister Zimmermann denke, daß noch etliche andere Bestimmungen verschärft werden müßten, um den „inneren Frieden“ sichern zu können. Das sei auch ein Ergebnis der von Justiz– und Innenministerium gemeinsam durchgeführten Anhörung von Polizeipraktikern im November, die zum Stimmungswandel innerhalb der FDP–Spitze in Sachen „strafbewehrtes Ver mummungsverbot“ geführt habe. Nahezu die gleichen Experten, die für die Verschärfung des Vermummungsverbots eingetreten seien, hätten sich auch für die Verschärfung des Landfriedensbruchparagraphen starkgemacht. Der FDP–Vorsitzende Bangemann trug in seiner Pressekonferenz ein sehr emotional gehaltenes Statement vor, in dem er seine Rolle bei der Durchsetzung der Gesetzesverschärfungen zu rechtfertigen versuchte: „Ich nehme meine Rolle als Organisator eines parteiinternen Klärungsprozesses sehr fair wahr, ich habe keine Meinungen unterdrückt oder unabänderliche Fakten geschaffen. Ich habe aber auch meine eigene Meinung und die äußere ich, deswegen bin ich schließlich Vorsitzender dieser Partei, weil sie auf die Meinung von einzelnen sehr viel Wert legt.“ Bangemann betonte nochmal, daß er die Beibehaltung seines Postens nicht von der Entscheidung der FDP auf dem Parteitag zu den Gesetzesverschärfungen abhängig mache. Zum Parteitag selber meinte er, der habe die volle Freiheit zu entscheiden, und für den einen oder anderen Abgeordneten werde diese Entscheidung auch Bedeutung haben. Es gebe allerdings kein imperatives Mandat, die Abgeordneten müßten sich die Freiheit, selbst zu entscheiden wie sie abstimmen, nicht nur nehmen, sie müßten sie auch gegen alle verteidigen. Bangemann behauptete außerdem, es gebe in der FDP keinen Streit über dieses Thema, sondern lediglich „einzelne Menschen, die unterschiedliche Auffassungen haben“. Neben den gesetzlichen Verschärfungen ging es in der Kabinettssitzung auch um sogenannte administrative Verbesserungen: Der Bundesgrenzschutz soll weitere Stellen erhalten, es sollen neue Wasserwerfer vom Typ 9 sowie mehr Transporthubschrauber, modernere Dokumentationsgeräte und leichtere Schutzbekleidung für die Polizei angeschafft werden. Außerdem wird am 16.Dezember die Gewaltkommission endgültig eingesetzt werden. Die Kommission soll sich zwar schwerpunktmäßig mit Gewalt im Umfeld von Demonstrationen beschäftigen, aber auch andere Aspekte - z.B. der Ausübung öffentlicher Gewalt - in ihre Arbeit einbeziehen. Die personelle Zusammensetzung und die Gliederung der acht Arbeitsgruppen entspricht den Vorstellungen von Bundesinnenminister Zimmermann, in jeder der Arbeitsgruppen soll aber zusätzlich ein Experte von der FDP– Liste mitarbeiten. Außerdem wird dem Wunsch der FDP entsprochen, den Posten eines stellvertretenden Vorsitzenden der unter Leitung des früheren niedersächsichen Justizministers Schwind arbeitenden Kommission zu besetzen.