Contra–Angebot - schlechter Witz?

■ Kontrolle über die Hälfte Nicaraguas gefordert / Ortega weist Angebot der Contra–Rebellen als „unseriös“ zurück / Die Contra ziele auf Scheitern der Verhandlungen ab / Hochkarätige Regierungsdelegation steht einer drittrangigen Abordnung der Contra gegenüber

Aus Managua Georg Hodel

Als „polemisch“ und „kaum ernst gemeint“ bezeichnete am Mittwochabend Nicaraguas Präsident Daniel Ortega das von der Führung der Contra–Rebellen unterbreitete Verhandlungsangebot für einen Waffenstillstand, welches vor über einer Woche von der Führung des sogenannten „nicaraguanischen Widerstandes“ (RN), des Dachverbandes der Contra, in Miami verabschiedet, aber erst am vergangenen Montag offiziell überreicht worden war. Seit gestern verhandeln Delegationen beider Parteien unter Vermittlung des nicaraguanischen Kirchenoberhauptes, Kardinal Obando y Bravo, in der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, Santo Domingo, über eine Waffenruhe in Nicaragua. Das von den antisandinistischen Rebellen vorgelegte Verhandlungspapier verlangt als Vorbedingung für die Etablierung eines Waffenstillstandes die Aufhebung des Ausnahmezustandes, die unterschiedslose Amnestierung sämtlicher Gefängnisinsassen des Landes, die Abschaffung der obli gatorischen Wehrpflicht sowie die Auflösung der Stadtteil– und Quartierkomitees der regierenden Frente Sandinista und die Einstellung der staatlichen Lebensmittelversorgung. Als Bedingung für die Niederlegung der Waffen nennt die Contra–Führung die Auflösung des sandinistischen Volksheeres. Um Sicherheit ihrer Truppen zu gewährleisten, verlangen die Contra–Rebellen außerdem die Kontrolle über ein 68.500 Quadratkilometer großes Gebiet, über mehr als die Hälfte des Nationalterritoriums von Nicaragua also. Das Angebot der Contra–Rebellen müßte man wohl als einen schlechten Witz auffassen, wenn dahinter nicht eine gewisse Logik des Weißen Hauses erkennbar würde, die auf die Beendigung der sandinistischen Revolution und die Beseitigung der gegenwärtigen Regierung in Managua ziele, erklärte Ortega, der der Contra– Führung unterstellt, bewußt auf das Scheitern der Verhandlungen hinzuarbeiten. Während die sandinistische Regierung mit Ricardo Wheelock, dem Chef der militärischen Abwehr, Victor Hugo Tinoco, dem stellvertretenden Außenminister, und Luis Guzman, dem Truppenchef der bewaffneten Verbände des Innenministeriums, eine ziemlich hochkarätige Abordnung nach Santo Domingo geschickt hat, begnügen sich die Antisandinisten mit einer drittklassigen Delegation, angeführt von Jaime Morales Carazo, einem in Mexiko lebenden Millionär und ehemaligen Unternehmensführer der Somoza–Gruppe, und Carlos Aguero, bekannt als Urheber des Massakers vom 22. März 1977, bei dem mehr als ein Dutzend unschuldiger Menschen ums Leben kamen. Sie wurden begleitet von zwei kaum bekannten Feldkommandanten der Contra.