I N T E R V I E W „Die Debatte ist noch nicht zu Ende“

■ Antje Vollmer, MdB, Die Grünen, zum Umgang der Regierungskoalition mit NS–Opfern

taz: Ist die Bundestagsdebatte nun wirklich jener „endgültige Schlußstrich“, wie es der CDU–Abgeordnete Gerster hinstellt? Vollmer: Die Absicht war da und hat unmittelbar vor der Debatte eine ungeheure Spannung provoziert. Es gab ja Änderungsanträge der SPD zu dem von der Koalition vorgeschlagenen Härtefonds, Anträge, die vor allem auch jenes endgültige Schlußstrich– Ziehen durchkreuzen sollten. Wir haben zudem die Ehrenbürgerschaft durch die Kommunen beantragt, um die Debatte vom Bundestag auf die Kommunen auszudehnen, das heißt an den Ort, wo das Elend der NS–Opfer wirklich besteht. Die CDU wollte nicht nur die „Härtefonds–Lösung“, sondern auch den Abschluß der Debatte und also die Überweisung der neuen Anträge an die Ausschüsse verhindern. Es wäre ein Eklat gewesen, und den haben sie dann doch nicht gewagt. Formell ist das durchkreuzt worden. Aber, was jetzt noch möglich ist, ist lediglich eine Auseinandersetzung über die Modalitäten. Die „große Lösung“ - Stiftung oder Rente für NS–Opfer ist doch vom Tisch. .. bundespolitisch. Die Debatte ist noch nicht zu Ende. Erreicht ist eine Art politischer Selbstbefriedigung. Was wir wollten, das Wieder–Aufrollen der Wiedergutmachungsgesetzgebung, das Unrecht dieser Gesetze, die zweite Verfolgung wiedergutzumachen, das ist gescheitert. Wenn man die Vorsichtsmaßnahmen der Härtefonds–Lösung betrachtet, dann soll ja nicht einmal die Idee eines Rechtsanspruches zugelassen werden ... .. und auch nicht die Idee der Anerkennung, daß die bisherige Wiedergutmachung einen ausschließenden, das heißt ungerechten Charakter hatte. Die jetzige Entscheidung ist nichts anderes als ein Persilschein, die Selbstbestätigung, daß die bisherige Praxis gerecht war. Ist mit dieser Entscheidung der tatsächliche Spielraum ausgereizt worden oder war doch noch mehr möglich? In der FDP gab es Sympathien wenigstens für die Stiftungslösung... Diese Sympathien sind also in der Koalitionsdisziplin untergegangen ... .. und am wirklich eisernen Widerstand der Finanzbehörden. Wo siehst Du noch Hoffnung? Man muß sich jetzt auf die Länderebene und auf die Kommunen konzentrieren. Ich bin zuversichtlich, daß auch die SPD–Länder in die Pflicht genommen werden können. Stiftungsmodelle gibt es ja schon in Hamburg und Bremen. Auch die Kommunen mit roten oder rot–grünen Mehrheiten haben ja die Möglichkeit zumindest für begrenzte Unterstützung. Ist nicht Resignation bei den Verfolgtenverbänden zu erwarten? Das glaube ich nicht, weil - und das ist sicherlich mit das wertvollste Ergebnis der letzten drei Jahre - die Verfolgtenverbände eine große Einigkeit entwickelt haben. Interview: Klaus Hartung