„Gemeinsam eine Erlösung vorbereitet“

■ Die Regierungskoalition wollte „lästiges“ Thema Wiedergutmachung für NS–Opfer endgültig vom Tisch haben / Versuche von SPD und Grünen, der Härtefonds–Strategie der Regierung entgegenzutreten, gescheitert / „Top 17 a,b,c“ im Bundestag abgehakt, erledigt

Aus Bonn Ursel Sieber

„Top 17 a,b,c... wir kommen zur namentlichen Abstimmung“. Überall im Regierungsviertel trommelt eine laute Klingel die Abgeordneten zusammen. Gleich ist der „Top 17 a,b,c...“ abgehakt, erledigt. Gleich ist die Niederlage amtlich: Die Koalitionsparteien haben ihren Antrag zur Entschädigung der NS–Opfer durchgesetzt. Die Versuche der Verfolgtenverbände, der Grünen und der SPD sind fehlgeschlagen, gemeinsam mit den Regierungsfraktionen eine andere Wiedergutmachung zu erreichen. „Tatsächlich, Sie haben Ihr Wort gehalten“, sagte Antje Vollmer von den Grünen, „aber Sie haben es auf dem denkbar niedrigsten Level gehalten, das möglich war, wenn man etwas mehr tun wollte als nichts“. Und der SPD–Abgeordnete Ernst Waltemathe: „Heute bin ich enttäuscht, daß nun auf so banale Art und Weise mit einem weiteren Härtefonds ein Schlußstrich gezogen werden soll.“ Aber die Koalitionsparteien wollten das Thema vom Tisch haben. Der Versprecher von Johannes Gerster (CDU) sprach Bände: „Gemeinsam haben wir eine Erlösung vorbereitet“. Gerster betonte dann, daß die Koalition den Beschluß „nun wirklich als das Ende der Wiedergutmachungsregelung ansieht“. Im Antrag der Koalition steht: darum alles unter das Verdikt einer „nunmehr endgültigen Abschlußregelung“: 300 Millionen sollen insgesamt zur Verfügung stehen: für jene Opfer, die Antragsfristen versäumt haben; für Zwangssterilisierte, die als Folge der Sterilisation einen „nachhaltigen“ Gesundheitsschaden erlitten haben. (“Was heißt nachhaltig?“ fragte hier die SPD–Abgeordnete Renate Schmidt.) Und die Voraussetzungen für Zahlungen nach dem Wiedergutmachungs–Dispositionsfonds sollen verbessert werden. Aber eine Mitbestimmung der Verfolgtenverbände an der Vergabe der Gelder will die Koalition auf keinen Fall: Der FDP–Abgeordnete Lüder sprach nur von „Information und Konsultation“. Entscheidend ist jedoch, daß den vergessenen Opfern nun zwar eine „Verbesserung“ zugesagt ist, aber völlig unklar ist, ob die Vergabe–Richtlinien genau das gewährleisten. Die Richtlinien gibt es noch nicht. Sicher ist auch, daß ZwangsarbeiterInnen auf keinen Fall beteiligt werden, daß am „Territorialprinzip“ festgehalten wird. Sinti, die im Elsaß leben, bekommen also nichts. Union und FDP haben die Ausformulierung in die Hände der Bundesregierung gelegt. Die Regierung soll die Richtlinien „erlassen“ und da nach dem Innenausschuß danach nur „berichten“. Wie die Dinge liegen, wird damit alles in der Hand der Beamten des Finanzministeriums bleiben. Der Abgeordnete Gerster hat das explizit bestätigt, als er gegen eine Stiftung argumentierte: Man müsse den Opfern „rasche Hilfe“ zukommen lassen, von einer Verwaltung, die mit der Entschädigung „bereits Erfahrungen“ gesammelt habe. In der „Präambel“ des Koalitions–Antrags ist wieder die Rede davon, daß mit der bisherigen Entschädigungsgesetzgebung „alle durch nationalsozialistisches Unrecht verursachten Schäden erfaßt“ und nur „in Einzelfällen noch Härten“ bestehen. Genau das wird von den Verfolgtenverbänden widerlegt: Sie betonen, daß die bisherigen Gesetze „systematisch“ ganze Gruppen von Verfolgten ausschlossen. Antje Vollmer wiederholte in ihrer Rede noch einmal, was das Anliegen der Grünen (und der SPD) eigentlich war: Alle Verfolgten sollten einen „Rechtsanspruch“ auf Wiedergutmachung erhalten. Man wollte eine „Umkehr der Beweislast“ erreichen, und gerade die bisher von der Entschädigung ausgeschlossenen Verfolgten–Gruppen an der Vergabe der Mittel beteiligen. Man wollte die Opfer den Gesetzmäßigkeiten des Finanzministeriums nicht mehr überlassen; man wollte, daß die ZwangsarbeiterInnen als Opfer anerkannt und dafür „auch Firmen zur Kasse gebeten werden“. Die grüne Fraktion hat beantragt, daß die Beihilfen, die die Opfer jetzt vielleicht bekommen, nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden sollen. Und sie möchte, daß der Bundestag die Kommunen auffordert, den Verfolgten vor Ort den Status der „Ehrenbürgerschaft“ zu verleihen. Beide Anträge liegen jetzt in den Ausschüssen. So sollte das Thema am Donnerstag abend nicht „zur Ruhe kommen“, weil, so Antje Vollmer, „es auch für die Verfolgten nicht zur Ruhe kommt“. Weil feststand, daß das von der SPD vorgeschlagene Stiftungsgesetz ebenfalls keine Mehrheit finden würde, wollte die SPD–Abgeordnete Renate Schmidt wenigstens die Vergabe–Richtlinien für den Härtefonds im Parlament festklopfen. Der SPD–Antrag listet alle Leistungsberechtigten auf, um sicherzugehen, daß nicht wieder so viele unter den Tisch fallen. Mit zwei Drittel der Stimmen sollen die Verfolgtenverbände bei der Geld–Vergabe beteiligt werden. Aber ursprünglich wollte die Koalition, daß dieser Antrag nicht einmal an die Ausschüsse geht. Renate Schmidt wollte das gerade „schäbig“ nennen, als die FDP– Abgeordnete Hildegard Hamm– Brücher ein „Das gilt nicht mehr“ dazwischenrief. Jetzt ist dieser Antrag im Innenausschuß und Renate Schmidt hofft, so doch noch Einfluß auf die Richtlinien nehmen zu können.