Hausbesetzung in Würzburg

■ Protest gegen „katastrophale“ Wohnungssituation / Strafantrag von Eigentümerin zurückgenommen / Trotz Zusicherung eines freien Abzugs 52 Personen festgenommen

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Am späten Freitagnachmittag besetzten in Würzburg etwa 50 Personen die seit neun Jahren leerstehende Rot– Kreuz–Klinik. Sie wollten damit auf die „katastrophale Wohnungssituation“ und die verfehlte Wohnungspolitik in der Bischofsstadt aufmerksam machen. Nach drei Stunden war die Aktion beendet, die BesetzerInnen verließen freiwillig das Haus. Die Polizei nahm 52 Personen fest. Das Gebäude der Rot–Kreuz– Klinik ist nur eines von vielen leerstehenden Häusern in einer Stadt, in der der Mietpreis schon fast den Standard der Landeshauptstadt München erreicht hat. Obwohl es mittlerweile in Würzburg nahezu keinen freien Wohnungsmarkt mehr gibt, läßt die Stadt Häuser trotz guter Bausubstanz abreißen. Bereits kurz nach der Besetzung der Klinik stellte der Anwalt der Eigentümerin, der Landes– und Städtebaugesellschaft/Wohnungsbaugesellschaft Franken, Strafantrag. Noch während die HausbesetzerInnen mit dem Rechtsanwalt verhandeltetn, unternahm die Polizei Anstrengungen, in das Anwesen einzudringen. Den BesetzerInnen wurde ein befristeter Aufenthalt in dem Haus bis Mitternacht zugestanden und ein freier Abzug garantiert. Nach dem Anmarsch von Sondereinsatzkommandos aus Nürnberg, versuchten die HausbesetzerInnen das Anwesen geschlossen zu verlassen. Obwohl die Eigentümerin den Strafantrag inzwischen zurückgezogen hatte, nahm die Polizei 52 Personen, darunter auch unbeteiligte Schaulustige, fest. Nach erkennungsdienstlicher Behandlung wurden sie wieder freigelassen. Als weitere Aktionen gegen die derzeitige Wohnungssituation in der Mainstadt ist für heute früh ein „massenhafter Besuch“ der öffentlichen Sprechstunde des SPD– Oberbürgermeisters Zeitler sowie eine Veranstaltung abends um 20.00 Uhr im Autonomen–Kulturzentrum geplant. Demonstration in Gießen Gießen (taz) - An einer Demonstration gegen die abzusehende Räumung zweier (von drei) besetzter Häuser beteiligten sich am vergangenen Samstag rund 600 Menschen in Gießen. Unter starkem Polizeiaufgebot, darunter immer wieder Polizisten mit Fotoapparaten und Kameras, zogen die DemonstrantInnen vorbei an den besetzten Häusern, an leerstehenden Spekulationsobjekten sowie am Justizgebäude. Auf Spruchbändern und in Sprechchören forderten sie den Erhalt des seit 1980/81 besetzten Wohnraumes. Dort leben und arbeiten derzeit etwa 20 Menschen. Unter der rot– grünen Koalition waren bereits Gespräche über Mietverträge mit den BesetzerInnen geführt worden.