„In der Tat teilweise unseriös“

■ Werbeunternehmen für den Verkauf von Zeitschriftenabonnements (“Drücker“) wenden bisweilen zweifelhafte Methoden an / Verlage versuchen sich in Distanzierung

Von Karl Nolte

Vertragsabschluß ohne Durchschrift oder mit Minderjährigen, Fälschung oder Erschleichung von Unterschriften, arglistige Täuschung - wenn es um den Verkauf von Zeitungsabonnements geht, greifen sogenannte „Werber“, im Fachjargon „Drücker“ genannt, nicht selten zu ungewöhnlichen Mitteln. Mit kriminellen Methoden im verbissen geführten Kampf um Auflagen und Werbeeinnahmen wollen verständlicherweise weder die Hersteller von Massenblättern wie der Bauer Verlag noch der vorgeblich seriöse Spiegel etwas zu schaffen haben. Für die unvermeidliche Drecksarbeit besteht allerdings kein Mangel an Bewerbern: Indem sie den beteiligten Unternehmen satte Gewinnspannen bei der Abonnentenwerbung ermöglichen, halten Verlage die Geschäftemacherei an der Haustür am laufen. Eigens um das angeschlagene Image dieser fragwürdigen Verkaufsform aufzubessern, haben sich die bundesdeutschen Zeitschriftenverlage sowie die meisten überregionalen Zeitungen zusammen mit Werbeunternehmen in der „Arbeitsgemeinschaft Abonnentenwerbung e.V.“, kurz AGA genannt, zusammengefunden. Aufgabe der AGA sei, so deren Geschäftsführer Werner Pientka, „den lauteren Wettbewerb in diesem Bereich zu überwachen“. Ungefähr zwanzigmal ist der Verein in den vergangenen Jahren nach Auskunft Pientkas wegen unsauberer Verkaufspraktiken eingeschritten, entweder durch Strafanzeigen oder durch Abmahnungen des Vorstands und des hauseigenen Schiedsgerichtes. Immer wieder werden auch Organe der Exekutive bei der AGA vorstellig, um den Ursprung unrechtmäßig zustandegekommener Abonnements zu erforschen, meist jedoch mit mäßigem Erfolg. „Nicht selten haben Kripo und Staatsanwaltschaften das Gefühl, hier werde gemauert“, vermutet Pientka, das sei jedoch „Nonsens“. Wenn es mit der Zuarbeit hapere, liege das vielmehr an den technisch beschränkten Möglichkeiten der AGA, Missetäter in den eigenen Reihen zu erwischen. Zugriff auf recht umfangreiche Informationen bietet die AGA demgegenüber ihren Mitgliedern: Datenmaterial von etwa 20.000 Personen sind in der EDV–Datei der AGA gespeichert, allesamt aktive - ungefähr 4.500 - oder gewesene Drücker. Sein Einverständnis dazu unterschreibt jeder Werber bei Vertragsabschluß mit der Drückerfirma, nämlich daß „die für meine Tätigkeit relevanten Daten, insbesondere auch nach meinem Ausscheiden, dorthin übermittelt und weitergeleitet werden“. Dazu gehören auch Angaben über Schulden, die viele Drücker während der Tätigkeit bei Werbefirmen zwangsläufig machen (siehe nächste Folge). Das manche der dort gespeicherten Daten unrichtig sind und einzig dem Zweck dienen, den Drücker an seine Firma zu binden, ihm den Wechsel zu einem anderen Drückerunternehmen zu verunmöglichen, möchte AGA–Geschäftsführer Pientka „nicht in jedem Fall ausschließen“. Warum die AGA die Daten der ärmsten Teufel dieser Branche überhaupt so akribisch sammelt, begründet Werner Pientka mit dem notwendigen Schutz der Werbefirmen vor böswilligen Mitarbeitern. Obwohl sie sich mit gut 100 Werbefirmen in ein und derselben Organisation befinden, ist den Zeitschriftenverlagen das „manchmal etwas dubiose Geschäftsgebahren“ (Pientka) ihrer Vereinsgenossen offenbar verborgen geblieben. Kein Wunder: „Wir rechnen mit den Werbefirmen lediglich ab“, erklärt ein Mitarbeiter der Abonnement–Vertriebsgesellschaft des Bauer Verlages: „Wenn da was am Rande der Legalität läuft, woher sollen wir das wissen. Wir kaufen nur die Scheine von den Firmen.“ Peter Heckmann, Leiter der Vertriebsabteilung der Welt am Sonntag bei Springer, hält das Berliner Unternehmen Egon Fröhlich für eine „seriöse Firma“. Im übrigen gebe es in jeder Branche schwarze Schafe. Unrechtmäßig zustandegekommene Abos gebe die Welt am Sonntag an die Vertriebsfirma zurück. Der Spiegel verweist in einer schriftlichen Erklärung darauf, daß angeheuerte Werbefirmen gemäß der Vertragsbestimmungen nicht mit falschen Angaben arbeiten dürften. Lediglich der Verkaufsleiter des Gruner + Jahr–Verlages, Peter Merse, räumt ein, daß die Abonnentenwerbung durch Drückerkolonnen „in der Tat teilweise unseriös“ gediehen sei. Weiter stellt Peter Merse fest: „In der heutigen Wettbewerbssituation auf dem Zeitschriftenmarkt benötigt jeder Verlag jede Vertriebssparte.“ Angesichts der satten Gewinnspannen, die alle Verlage den Drückerfirmen einräumen, besteht allerdings kaum Gefahr, daß gerade diese Sparte austrocknen könnte: Wer den Postvertrieb einer Zeitschrift übernimmt, zahlt dem Verlag lediglich zwei Drittel des späteren Verkaufspreises, der Kioskbesitzer dagegen vier Fünftel oder mehr. Die Werbeunternehmen verkaufen nun die Abonnements entweder an Vertriebsunternehmen oder auch nicht. Der Handel unter diesen Branchen oder auch innerhalb derselben führt den Gewinnspannen entsprechend zu hohen Preisen. Obwohl der Kunde für ein Abonnement des Stern vom Gruner + Jahr–Verlag per anno nur 182 Mark zahlen muß, berappt eine Vertriebsgesellschaft bei Ankauf eines frischgeworbenen Abos der Werbefirma immerhin 200 Mark; bei der Rendite und einer hohen durchschnittlichen Abo–Laufzeit des Stern immer noch ein lukrativer Preis. Verkauft das Werbeunternehmen das „selbstgedrückte“ Abo nicht, vertreibt selbst und überläßt lediglich die Abrechnung gegen eine Verwaltungsgebühr zum Beispiel der „Pressevertriebszentrale für Abonnenten GmbH und Co. KG“ in Stöckelsdorf, ist der Gewinn noch attraktiver: Die sogenannten „Gestehungskosten“ für ein Stern–Abo liegen nur bei 140 Mark. Drückerprämien, Unkosten und Unternehmergewinn bereits eingeschlossen. Der Nachteil dieses Verfahrens für die Werbefirma: Wandert das Abo nicht durch die Hände mehrerer Käufer und Wiederverkäufer, kann der reklamierende Kunde den Weg seines Auftrags leichter verfolgen und hat so bessere Chancen, den Vertrag erfolgreich zu stornieren. Versuche der Betrogenen, sich im Alleingang Recht zu verschaffen, scheitern deswegen nicht selten in einem Dschungel von Werbekolonnen. Zwischenhändlern, Personalbüros und Pressevertriebsfirmen. Lakonisch und hilfegebend verweisen die Verbraucherzentralen Hamburg und Baden–Württemberg in einer Broschüre denn auch darauf, daß „die Bearbeitung von Beschwerden über unlauter arbeitende Werbekolonnen ...zum Alltagsgeschäft aller Verbraucherzentralen in der Bundesrepublik“ gehört. Morgen und übermorgen: Die taz mit den Drückern unterwegs.