Der Vorschlaghammer als Argument

■ In Gütersloh fand die Verhandlung wegen eines Anschlages auf eine Nixdorf–Computer–Ausstellung ohne die Angeklagten statt Gerangel im Gerichtssaal / Geldstrafen für „Sachbeschädigung“ / Bekleidung der Gruppe als Motiv für die Bestrafung?

Aus Gütersloh Imma Harms

Der dekorative Gummibaum mußte der Gewalt weichen. Infolge eines Handgemenges lag er zerfleddert in der Ecke und ein Polizeibeamter schob die zerkrümelte Erde mit seiner Fußspitze auf dem blankgewienerten Fußboden des Gerichtsflurs zu einem sauberen Häufchen zusammen. Fürs erste war die Ordnung wiederhergestellt. Auf den zweiten Verhandlungstag im Prozeß wegen des Hammer–Anschlags auf eine Nixdorf–Computer–Ausstellung hatte sich das Amtsgericht Gütersloh sorgfältig vorbereitet. Der erste Prozeßtag am 19.Oktober war gewissermaßen im Treppenhaus steckengeblieben. Die ZuhörerInnen wollten sich nicht durchsuchen lassen und gingen wieder nach Hause und mit ihnen gingen die drei Angeklagten. Vorgestern morgen waren deshalb in den Fluren Hinweiszettel aufgehängt, auf denen der Direktor des Amtsgerichtes und Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes vorsorglich alles verbot, was ihn bei der Verhandlungsführung in Schwierigkeiten bringen könnte. Mäntel, Kopfbedeckungen etc. sind an der Garderobe abzugeben, ein Polizeibeamter ist als Garderobiere eingesetzt und spielt nervös mit einem Nummernblöckchen. Aber auch die Unterstützergruppe der drei Angeklagten hat sich vorbereitet. Keine Personalienfeststellung, keine Durchsuchung, alle müssen reinkommen, das sind ihre Bedingungen. Tatsächlich konnten sie alle diese Punkte nach einigem Gerangel mit den etwas ratlos wirkenden Ordnungskräften durchsetzen. Trotz dem war die Anwesenheit der Öffentlichkeit und auch der drei Angeklagten nicht von großer Dauer. Als der Staatsanwalt seine Anklageschrift verlesen wollte, bekamen etliche Anwesende einen Hustenreiz, der Vorsitzende Richter Donner ließ den Saal räumen, mit den ZuhörerInnen verschwanden abermals auch die Angeklagten. Staatsanwalt Simonsen (besorgt): „Herr Vorsitzender, die Angeklagten laufen weg!“ Richter Donner (pfiffig): „Das macht nichts, wir können auch ohne sie verhandeln.“ So war die Situation zunächst mal zur allseitigen Zufriedenheit gelöst. Das Gericht, so schiens, war sowieso lieber unter sich, und die Angeklagten ihrerseits hatten schon vorher deutlich gemacht, was sie von dem Verfahren halten: „Nur durch die Einsatzbereitschaft der Bullen können sie verhindern, daß wir die Akten von den Tischen fegen und daß sich einige hier Anwesende einem Verfahren wegen Unterstützung der Herrschenden Klasse unterziehen müssen!“, hieß es in einer Erklärung. Die Aktion gegen die Nixdorf– Ausstellung im Mai 1984 war eine Solidaritätsaktion für Klaus Viehmann und sechs Mitgefangene, die sich zu jener Zeit im Bielefelder Knast im Hungerstreik befanden. Eine Gruppe von jungen Leuten war in die Ausstellung „Der gläserne Computer“ eingedrungen, die damals in der Gütersloher Stadthalle und später noch in 44 anderen Städten gezeigt wurde und hatte mit einem Vorschlaghammer und ätzendem Haushaltsreiniger Sachschaden angerichtet. Das Aufsehen, das dieser Anschlag gegen die lückenlose Kontrolle verursachte, half nach Ein schätzung aus Unterstützerkreisen damals den Hungerstreikenden, ihre Forderung (“Raus aus dem Trakt“) durchzusetzen. Am Ausgang der Ausstellung und in der Umgebung der Stadthalle waren nach dem Anschlag drei Leute festgehalten worden, denen nun stellvertretend der Prozeß gemacht wurde. Die Eröffnung des Verfahrens hatte sich so lange hinausgezögert, weil das Landeskriminalamt den Vorfall zunächst als Anlaß genommen hatte, auf der Grundlage von Paragraph 129 a die Paderborner Szene zu einem terroristischen Umfeld aufzubauen. Davon wurde im Laufe der Ermittlungen Abstand genommen. Übrig blieb der Tatvorwurf der Sachbeschädigung. Wie sich im Laufe des vorgestrigen Prozeßtages zeigte, hatten Staatsanwaltschaft und Gericht keinerlei Beweise oder Zeugenaussagen in der Hand, die belegt hätten, daß die Angeklagten tatsächlich an der Zerstörungsaktion beteiligt waren. Dafür wurde eine lange Liste von Zeugen vorgeführt, die minutiös beschrieben, wie Leute verfolgt, festgenommen, verhört, gegenübergestellt wurden. Es half nichts: Was übrig blieb, war lediglich, daß einige dunkel gekleidete, wie „Punker“ aussehende Gestalten weggelaufen sind. Das reichte dem Gericht dann zur Verurteilung. Vergeblich wies Rechtsanwalt Detlef Hartmann aus Köln darauf hin, daß die Firma Nixdorf bei ihrer Propagandaschau für den Computer als allumfassendes Herrschaftsinstrument einfach mit solchen Formen der „praktischen Kritik“ rechnen muß. Vergeblich warnte er das Gericht, das die Verurteilung nur auf einen frei erfundenen Tathergang stützen könne und letztlich die durch die Bekleidung festgemachte Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestrafen würde. Rechtsanwalt Thomas Klein aus Osnabrück hatte mit seinen Zweifeln an der Rechtsgrundlage der Sachbeschädigungs–Anzeige auch nicht mehr Erfolg. Der Vorschlaghammer sei kein demokratisches Argument fand der Staatsanwalt und das fand dann auch das Gericht. Daß die drei Angeklagten ihn (zumindest ideell) mitgeschwungen haben, davon mochte sich das Gericht nicht abbringen lassen und verurteilte sie in Abwesenheit zu Geldstrafen von 1.000 bis 1.300 Mark.