Stahl: Die Protestwelle rollt weiter

■ Die Krupp–Stahlwerker aus Rheinhausen wollen heute bei der Villa Hügel, dem Sitz der Krupp–Zentrale in Essen, „spazieren gehen“ / Rund 1.000 der 6.000 vom Rausschmiß Bedrohten sind Ausländer

Duisburg/Brüssel (dpa/afp) - Die Protestwelle im Revier gegen die Schließung des Krupp–Stahlwerks Rheinhausen und die Vernichtung von Arbeitsplätzen an den Stahlstandorten rollt weiter. Während am Dienstag die Stahlproduktion in Rheinhausen mit „eingeschränktem Betrieb“ weiterging, liefen die Vorbereitungen für weitere Protestaktionen auf vollen Touren. Nicht nur die Stahlarbeiter, auch Beschäftigte anderer Betriebe beteiligen sich an den Aktivitäten. Die türkischen Beschäftigten des Krupp–Stahlwerks informierten am Dienstag Landsleute und deutsche Kollegen auf einer eigenen Veranstaltung über die bedrohliche Situation. Rund 1.000 der 6.000 Beschäftigten der Krupp–Hütte sind Ausländer - und der Verlust der Arbeitsplätze bei Schließung des Werks werde für sie noch schwieriger als für viele deutsche Kollegen, meinen die Betriebsräte. Seit heute sechs Uhr sollte die Produktion im Stahlwerk Rheinhausen wieder stillstehen, kündigte der Betriebsrat an. Während der Aufsichtsrat der Fried. Krupp GmbH in Essen in der Villa Hügel, dem ehemaligen Krupp–Familiensitz, über die Neuordnung des Konzerns berät, wollen die Stahlarbeiter dort „spazieren gehen“. An den Protestaktionen werden sich auch Beschäftigte anderer Konzerne beteiligen. Der Krupp–Konzern wird in diesem Jahr wieder einen Überschuß erwirtschaften. Das Bilanzplus soll unter dem Jahresüberschuß von 1986 bleiben, der bei 126 Millionen Mark gelegen hatte. Volle Auftragsbücher meldet der Konzern weiterhin im Maschinen– und Anlagebau: hier wird Krupp den Vorjahreswert von 6,9 Milliarden Mark erreichen. Das kündigte der Vorstandsvorsitzende der Fried. Krupp GmbH (Essen), Wilhelm Scheider, in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit dem „Handelsblatt“ an. Ohne Berücksichtigung des Stahlbereichs sei die Ertragssituation positiv. Zugleich wies Scheider entschieden Gerüchte und Berichte zurück, nach denen es bei Krupp infolge großer Absatz– und Ertragseinbrüche „brennt“. Allerdings sei es in den ersten neun Monaten des Jahres zu Auftragsrückgängen gekommen, die im letzten Quartal ausgeglichen worden seien. Die Wirtschafts– und Industrieminister der Europäischen Gemeinschaft sind am Dienstag in Brüssel zu Beratungen über die Zukunft der Stahlindustrie im EG– Raum zusammengetreten. Ein ursprünglicher Vorschlag der EG– Kommission sieht im Rahmen eines Restrukturierungsprogramms den Abbau von insgesamt rund 80.000 Arbeitsplätzen vor.