Kritik an französisch–iranischem Geiseldeal

■ Heftige Proteste der französischen Opposition gegen die Ausweisung von 14 iranischen Regimegegnern / Asylrecht wird unterlaufen / Unmutsäußerungen auch bei Sozialisten / Chirac pflegt mit Geiselbefreiung Wahlkampfimage / Kritik auch in Teheran

Aus Paris Georg Blume

Nennenswerte Opposition riefen die neuerlichen französisch–iranischen Tauschgeschäfte bisher nur bei den Regierungen in London und Washington hervor, die die französischen Kollegen um ihre wiedergewonnenen Geiseln beneideten. Empörung über die gesetzlosen Vereinbarungen zwischen Frankreich und dem Iran zeigt sich nun aber auch in Paris und Teheran. Geschlossen und lautstark, wie man sie lange nicht mehr vernahm, protestiert die linke französische Opposition heute gegen die Ausweisungen iranischer Regimekritiker aus Frankreich. „Was bleibt vom Asylrecht übrig, wenn die Regierung behauptet, daß bei den Ausweisungen der Iraner die Regeln respektiert wurden?“, meldete sich sogar der Generalsekretär der Sozialisten, Lionel Jospin, zu Wort, dessen Partei zu den neuen Ausweisungspraktiken der Chirac–Regierung bisher weitgehend geschwiegen hatte. Diese Praktiken bewährten sich für Innenminister Charles Pasqua im Fall der 22 am Montag in Paris festgenommenen iranischen Khomeni–Gegner erneut aufs beste. Pasqua genügten ganze 24 Stunden, um 14 der Betroffenen sofort zur Militärbasis Evreux zu verfrachten, ihre Ausweisungsbefehle zu unterzeichnen und sie noch am Dienstag mit einem Sondercharter in den Gabon zu verschicken, wie er es bereits vor einem Jahr mit 101 Maliern - in Ketten gelegt - in Richtung Mali tat. Auch diesmal war Pasqua, den in solchen Fällen erklärter „absoluter Dringlichkeit“ keine Justiz mehr zurückhalten kann, nicht zimperlich: Die Festgenommenen durften entgegen dem Gesetz weder mit der Familie noch mit dem Anwalt sprechen. Das brachte der französischen Regierung schließlich auch Ärger mit dem Flüchtlingskommissariat der UNO in Genf ein, das gestern vom französischen Außenministerium „Informationen über die Gründe dieser Deportationsmaßnahme“ verlangte. Antwort aus Paris wird es da wohl kaum geben, und im Gabon werden die ausgewiesenen Iraner für westliche Ohren verstummen. Jacques Chirac wird sich nun einen Schritt weiter wähnen auf dem Weg zur endgültigen Befreiung aller französischen Geiseln im Libanon, die ihm für seinen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im Frühjahr so einträglich erscheint. Dabei spielt der Premierminister mit dem Risiko: Kommen die verbleibenden drei Geiseln nicht bald frei, wird die Kritik an dem rechtsstaatlich bedenklichen Vorgehen der Regierung zunehmen. Doch offenbar meint Chirac, daß auf seine iranischen Partner Verlaß ist. Diese sind nicht mehr frei von jeder Kritik im eigenen Land bezüglich ihrer Vereinbarungen mit Paris. Die regierungstreue Tageszeitung Ettelsaat bezeichnete die Verbesserung des Klimas zwischen Paris und Teheran als Frucht „eines Handels und eines Kompromisses, nicht als eine Normalisierung, die auf langfristigen strategischen Interessen beruht“. Siehe Kommentar auf Seite 4