SPD gibt sich hart - Stahlkocher wollen mehr

■ NRW–Innenminister Schnoor erntet Beifall für die Zurückhaltung der Polizei / Die Aktionen der Stahlkocher gehen weiter: Villa Hügel gestern, Straßen– und Brückenbesetzungen heute / Auch die Frauen greifen ein / Blüm sorgte für böses Blut

Aus Duisburg Walter Jakobs

„Die Polizei vor Ort hat sich vorbildlich verhalten und großes Fingerspitzengefühl bewiesen“. Alle Hände rühren sich in der „Menage“, der Krupp–Kantine, als Manfred Bruckschen, Betriebsratsvorsitzender von Krupp– Rheinhausen, am Dienstag abend mit diesen Worten Innenminister Herbert Schnoor empfängt. Dann „hat der Kollege Herbert Schnoor das Wort“. Mit dem Politiker Schnoor gehen die Leute an diesem Abend ungewöhnlich freundlich um. Ihm wird das zurückhaltende Agieren der Polizei selbst bei stundenlangen Kreuzungsblockaden angerechnet; er wird nicht einmal ausgepfiffen, als er „Fairneß auch für die Unternehmensleitungen“ verlangt, die die Brüsseler Entscheidungen über die Stahlquoten nicht zu verantworten hätten. Der Plan der Vorstände von Krupp, Mannesmann und Thyssen, der hinter dem Rücken der Belegschaft ausgehandelt wurde, sieht die Zerschlagung der Krupp–Hütte in Rheinhausen und damit die Vernichtung von 6.000 Arbeitsplätzen vor. Das will die Landesregierung, glaubt man ihren Worten, verhindern. „Wir nehmen nicht hin, daß der Standort Rheinhausen vernichtet wird“, sagt Schnoor und fügt hinzu: „Wir entscheiden nicht über den Standort, aber ich bin ganz sicher, man wird nicht einfach über uns hinweggehen“. Es gibt einige Zwischenrufer, denen dieses Bekenntnis nicht reicht, doch als Schnoor dann später „auch weiter ein besonnenes Ver halten der Polizei“ verspricht, erntet er gar „Bravo“–Rufe. Die wären Norbert Blüm, hätte er in Rheinhausen gesprochen, an diesem Abend sicher nicht zuteil geworden. Mit seiner großspurigen Ankündigung, Bayer Leverkusen habe ihm gegenüber versprochen, 500 Kruppianer zu übernehmen, hat der Arbeitsminister hier für böses Blut gesorgt. „Er ist uns damit in den Rücken gefallen“, sagt Manfred Bruckschen, „denn wir geben den Standort nicht auf, sondern kämpfen bis zur letzten Minute“. Bruckschen, wie Schnoor Sozialdemokrat, hat Grund zur Sorge, denn schon Stunden nach der Blüm–Ankündigung sprachen über 100 Kruppianer bei der Personalverwaltung vor - wg. Zeugnis für Bayer–Bewerbung. Die etwa 400 bis 500 Anwesenden im Saal sind empört über den Blüm–Coup. Wenn die Bayer AG Arbeitsplätze habe, solle sie Arbeitslose einstellen. Der Blüm–Vorschlag, so Pfarrer Kelb, sei „absurd“. Norbert Blüm wurde bei den Bergleuten schon mal „als Kumpel Nobby“ bezeichnet - hier hat er keine Chance. In Rheinhausen gewinnen die Sozialdemokraten wieder an Boden. „Eine SPD, die auch nur eine Sekunde Eure Interessen vergißt, ist es nicht wert zu existieren. Eine SPD, die nur einen Millimeter von Eurer Seite weicht, gibt sich selber auf“. Das sagte Bodo Hombach, Landesgeschäftsführer der SPD und enger Rau–Berater, als er unter den ankommenden Stahlkochern vor Tor 1 Weihnachtstüten verteilte: „Diese Leute wurden von ihren Vorständen so oft betrogen, daß Sanftmut nicht mehr hilft“. Solche Töne kommen zwar gut an, aber die Stahlarbeiter wollen mehr. Innenminister Schnoor, immer wie der bedrängt, konkrete Pläne vorzustellen, lehnte sich erstmals weit aus dem Fenster. Wenn die von der Landesregierung geplante „Zukunftsinitiative Montanregionen“ - mit einem Umfang von zwei Mrd. DM, die nach dem Willen der SPD zu zwei Drittel aus Bonn und einem Drittel aus Düsseldorf finanziert werden sollen aus Bonn abgeblockt werde, „dann müssen wir es alleine bezahlen“. Man müsse das Programm, das nur über neue Schulden finanziert werden könnte, dann „erst machen und später klagen“, denn über die rechtswidrig niedrigen Finanzzuweisungen betreibe der Bund aus politischen Gründen „eine Verelendungsstrategie gegen NRW“. Den Zorn nach Bonn lenken - diese Strategie der SPD zeigt in den Köpfen der Menschen im Revier offenbar Wirkung - zumal die finanzielle Benachteiligung der SPD–Länder durch Bonn tatsächlich nicht nur ein SPD–Propaganda–Trick ist. Für die Rheinhausener Stahlkocher kommen die jetzt diskutierten Zukunftsprogramme in jedem Fall zu spät. Wenn heute in Duisburg wieder Brücken und Straßen im Kampf um die Hütte blockiert werden, dann sind erstmals auch die Frauen der Stahlkocher dabei. „Wir besuchen uns gegenseitig an der Straßenkreuzung, von 8–17 Uhr. Bringt weiße Kopfkissenbezüge mit“, lautete die Parole, als die Fraueninitiative sich am Dienstag abend traf. Die Frauen überlegen, demnächst mit ihren Kindern die Villen der Krupp–Vorstandsmitglieder zu besuchen. Am Mittwoch machten sich ihre Männer in zehn Bussen nach Essen zur Villa Hügel auf den Weg. Dort wurde anläßlich der Aufsichtsratssitzung der Krupp– GmbH im Garten demonstriert.