I N T E R V I E W „Wir konzentrieren uns auf die verwundbaren Teile von SDI“

■ Interview mit Valentin Berjeschkow, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und Chefredakteur der Zeitung Amerika, zum Drei–Prozent–Gipfel in Washington / Für ihn ist das wesentliche Resultat die Verbesserung der Atmosphäre / Hoffnung auf Hilfe der USA in Afghanistan

taz: Als USA–Spezialist in der UdSSR haben Sie seit 40 Jahren die amerikanische Politik analysiert. Was ist für Sie dieses nun Unterschriebene? Berjeschkow: Seit der Anti–Hitler–Koalition befasse ich mich mit den USA und deren Politik. Ich habe also alles erlebt: den Kalten Krieg und die Zeiten, während derer mehr Konfrontation da war als Zusammenarbeit. Alle Bemühungen um eine bessere Zusammenarbeit waren eigentlich ein Fehlschlag, und wir kehrten immer wieder zurück zu Konfrontationen. Das wichtigste aber, das Mißtrauen zwischen beiden Ländern, das in den USA, aber auch bei uns, noch weiterbesteht, könnte durch das Abkommen in Washington abgebaut werden und das gegenseitige Vertrauen wiederhergestellt werden. Wenn ich das richtig sehe, ist in den letzten Jahren das Haupthindernis für eine weitere Annäherung das SDI–Projekt gewesen. Jetzt hat Herr Gorbatschow in einem Interview im amerikanischen Fernsehen gesagt, daß die Sowjetunion Grundlagenforschung macht, die auch die Seiten betreffen, die in Amerika von den SDI–Forschungen erfaßt werden. Diese Formulierung interessiert uns besonders. Meint Gorbatschow, daß die Sowjetunion auch an einem SDI–Projekt arbeitet? Soweit ich weiß, ist unsere prinzipielle Position, daß wir keine nuklearen Waffen im Weltraum stationieren werden. Und das ist die prinzipielle Position, von der wir ausgehen. Im Zusammenhang mit den ameri kanischen Forschungen müssen wir auch nachprüfen, welche Antwort wir auf SDI vorbereiten. Wir hoffen aber, daß die amerikanische Seite einmal verstehen wird, daß es unmöglich sein wird, einen zuverlässigen Schirm über Amerika zu schaffen und daß dieses Projekt nur zu enormen Ausgaben führt. Doch wenn sie weitermachen werden, dann müssen wir eine Antwort darauf finden. Die Aufgabe unserer Technologen ist, darüber zu forschen. Wir werden allerdings nicht wiederholen, was die Amerikaner tun, wir werden ein billigeres und viel leichter zu schaffendes System ausarbeiten, das in der Lage ist, das SDI– Projekt nutzlos zu machen. Das heißt, es ist nicht ein ähnliches Konzept, sondern es ist ein anderes Konzept, das dagegen gestellt wird. Ja, selbstverständlich. Das wurde so auch mehrmals von Generalsekretär Michail Gorbatschow dargelegt. Werden das Raketen sein, die die amerikanischen Satelliten vernichten können oder arbeiten sie an Laser–Projekten? Ich kenne nicht die Technologie, ich weiß nur von den Untersuchungen, die wir in unserer Zeitschrift veröffentlicht haben. Unsere Fachleute meinen, daß das SDI–Projekt so kompliziert ist und so verwundbar ist, daß sogar die Ausschaltung eines kleinen Elementes dieses Systems schon dazu ausreicht, das gesamte System auszuschalten. Das heißt es ist nicht nötig, dasselbe Konzept zu entwickeln, um das amerikanische System nutzlos zu machen. Wir kön nen uns also auf die besonders verwundbaren Teile des SDI–Systems konzentrieren. Ein anderes Konfliktfeld sind die regionalen Auseinandersetzungen. Welche Möglichkeiten gibt es da in Bezug auf Afghanistan? Reagan hat ja auf dem Gipfel gesagt, daß die USA bereit sein werden, diese Frage politisch zu lösen und damit der Sowjetunion die Möglichkeit zu geben, so bald es geht, ihre Truppen abzuziehen. Wenn das ernstgemeint ist, so denke ich, müßte es bedeuten, daß die Waffenhilfe, die die Amerikaner den Rebellen geben, beim Termin des Abzugs gestoppt werden müßte. Wir können nicht abziehen, wenn wir sicher sind, daß es danach zu einem schrecklichen Blutbad kommt. Der Rückzug muß politisch flankiert sein. Ich möchte noch einmal kurz präzisiert folgende Frage stellen: Ist der Springpunkt, daß die USA dann keine Waffen mehr an die Mudjaheddin liefern sollen, wenn der sowjetische Truppenabzug beginnt? Die näheren Bedingungen müssen in den nächsten Gesprächen vereinbart werden. Es laufen Gespräche mit den Vereinten Nationen. Es muß ein Paket sein, man kann nicht erwarten, daß wir einseitig etwas machen und die anderen nichts. Sie wissen, daß wir eine West–Berliner Zeitung sind, und unser Büro ist fast an der Mauer. Deshalb sind wir höchst interessiert an der Entspannung in Europa. Wird jetzt auch wieder Europa ins Spiel kommen in Bezug auf die Abrüstung? Ich denke ganz bestimmt. Am Freitag wird in Berlin ein Treffen der Warschauer–Pakt– Staaten stattfinden. Der Gipfel war auch wichtig für die Sicherheit in Europa. Unsere Vorschläge zur konventionellen Abrüstung liegen auf dem Tisch. Gorbatschow hat von einem gemeinsamen Haus Europa gesprochen. Das setzt Hoffnungen frei, auch in den sozialistischen Ländern Europas. Ist die Sowjetunion bereit, im Prozeß weiterer Vereinbarungen ihre Truppen aus der Tschechoslowakei, DDR und Polen zurückzuziehen? Das ist eines der Probleme, die die weitere Sicherheit in Europa betreffen. Es gibt auch amerikanische Truppen in der Bundesrepublik, in England, in Griechenland, Türkei, Italien etc. Doch diese Problematik müßte verhandelt werden, so daß sich schließlich keinerlei Truppen mehr in fremden Ländern befinden. Dazu muß man eine friedliche Atmosphäre schaffen und verhandeln. Aber dazu sind alle aufgerufen, nicht nur die Sowjetunion. Der Abzug der Truppen aus der CSSR könnte ja gerade zur Verbesserung der Atmosphäre beitragen... Das würde auch für die Amerikaner in Griechenland oder anderen Ländern gelten. Sehr interessant ist die Wertung des polnischen Außenministers, der dieses Abkommen für die osteuropäischen Staaten für wichtig wertete, da nun die Pershings weg sein werden, die auch auf sein Land gerichtet waren. Das Gespräch führte Erich Rathfelder