„Das ist gegenüber dem Parteitag ein Affront“

■ Auf dem Mannheimer FDP–Parteitag am Wochenende soll über die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts beschlossen werden / Die taz sprach dazu mit dem rheinländ–pfälzischen Wirtschaftsminister und FDP–Landesvorsitzenden Rainer Brüderle

Mannheim (taz) - Die Grünen und mehrere Mannheimer Gruppen, unter ihnen die antifaschistische Gruppe Mannheim/Ludwigshafen, haben für den am kommenden Samstag in Mannheim stattfindenden „Vermummungsparteitag“ der FDP Protest– und Informationsveranstaltungen angekündigt. Mit phantasievollen Vermummungen will man die Delegierten des FDP–Parteitages auf das Thema einstimmen. Unter dem Stichwort „Die Vermummten informieren“ wenden sich die Gruppen gegen eine Verschärfung des Demonstrationsrechts. Zur Begründung hieß es, die vom FDP–Parteipräsidium beabsichtigte Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts käme tendenziell einer Abschaffung des Demonstrationsrechts gleich.xz taz: Herr Brüderle, Sie haben sich im Vorfeld des FDP–Parteitages entschieden gegen jegliche Ver schäfungen des Demonstrationsstrafrechts ausgesprochen. Es scheint allerdings, daß Sie da in Ihrer Partei zu einer Minderheit gehören, oder sehen Sie noch Chancen für Ihre Position auf dem Mannheimer Parteitag? Brüderle: Ich halte die Entscheidung in Mannheim für offen. Es kann heute keiner übersehen, wie da die Mehrheitsverhältnisse sein werden. Quer durch die gesamte Partei wird hierüber kontrovers diskutiert. Ihr Bundesjustizminister Hans Engelhard hat doch schon erklärt, er fühle sich nicht an ein Votum des Parteitages gebunden. Welchen Sinn hat denn da noch dieser Mannheimer Parteitag? Für mich ist klar, es gibt für mich als Liberalen kein imperatives Mandat der Partei. Der einzelne Abgeodnete muß eine Gewissensentscheidung treffen. Ich erwarte aber sehr wohl, daß er, bevor er seine Entscheidung trifft, auch die Auffassung seiner Partei in seine persönliche Abwägung miteinbezieht. Ich halte deshalb Äußerungen vor der Diskussion mit den Parteifreunden auf dem Parteitag wie zum Beispiel zu sagen, egal welche Argumente kommen, meine Meinung steht fest, für mehr als unglücklich. Das ist gegenüber dem Parteitag schon ein Stück Affront. Bis zu den Morden an der Startbahn West haben sowohl Ihr Parteivorsitzender Martin Bangemann wie eine Mehrheit im FDP–Präsidium Ihre Auffassung vertreten. Woher rührt der plötzliche Umschwung? Ich glaube, daß das verschiedene Ursachen hat. Es hat einmal zur Ursache, daß nach den scheußlichen Morden an der Startbahn West natürlich in der öffentlichen Meinung ein starker Druck entstanden ist, obwohl die Morde dort mit der Frage der Strafqualifizierung der Vermummung bei friedlichen Demonstrationen nchts zu tun hatten. Schon heute steht ja Mord unter lebenslänglicher Strafandrohung, so daß hier wohl keine zusätzliche abschreckende Wirkung entsteht. Aber neben dieser öffentlichen Meinung, die sich schlagartig verändert hat, spielt sicherlich der Druck der Koalitionspartner in Bonn, insbesondere der CSU auf die CDU, eine Rolle. Möglicherweise hat auch die Serie von negativen Landtagswahlergebnissen bei der CDU dort zusätzlichen Erwartungsdruck in der Partei ausgelöst. Ein dritter Grund ist, daß man meint, durch die Expertenanhörung, die leider nicht öffentlch war, neue Erkenntnisse gewonnen zu haben. Ich kann dazu aber nur sagen, daß die Gewerkschaft der Polizei und deren Vorsitzender die Meinung der rheinland– pfälzischen FDP teilt. Noch mal zu Herrn Bangemann. Der scheint hoch zu pokern. Man hat den Eindruck, er mache sein persönliches Schicksal vom Votum des Parteitages abhängig. Ich kann davor nur warnen, wenn man sagen würde, wenn Ihr in der Sachfrage eine andere Meinung habt, müßt Ihr Euch einen anderen Parteivorsitzenden suchen. Das hat Bangemann bisher nicht getan. Dies beides zu verknüpfen, hielte ich für nicht vertretbar. Würden Sie als Bangemann–Nachfolger zur Verfügung stehen? Mit Sicherheit nicht. Außerdem sehe ich nicht, daß sich die Frage der Nachfolge stellt. Mit Rainer Brüderle sprach Felix Kurz.