Kieler FDP purzelt von der CDU zur SPD

■ Koalitionsvertrag aufgekündigt, Koalitionsvereinbarungen nicht / Stoltenberg: Barschel war krank“, die CDU ist gesund

Berlin/Kiel (dpa/taz) - Der FDP–Landeshauptausschuß in Schleswig–Holstein hat in der Nacht zum Donnerstag den Koalitionsvertrag mit der CDU aufgekündigt. Dem FDP–Gremium wird bei der einstimmigen Entscheidung sicherlich die jüngste Meinungsumfrage von Infratest geholfen haben, die die CDU immer mehr im Abwärtstrend sieht. Mit 51 Prozent wird hingegen derzeit die SPD im nördlichsten Bundesland gehandelt. Vor diesem Hintergrund ist der Beschluß der FDP, die „koalitionsähnliche Zusammenarbeit“ in Kiel aufzugeben, nur allzu verständlich. Während FDP–Landeschef Zumpfort in der Öffentlichkeit den mangelnden Selbstreinigungsprozeß im Kieler CDU–Morast geißelte, wird immer deutlicher, daß in Schleswig–Holstein derzeit keine Mehrheit mehr für eine CDU–Regierung zu haben ist, egal, ob mit oder ohne FDP. Nach Angaben Zumpforts bedeutet die Einstellung der Zusammenarbeit mit der CDU in der Sache jedoch „keine Vorentscheidung über eine neue Wahlaussage“. Darüber werde ein Landesparteitag Mitte März 1988 entscheiden. Vielen Fragen sah sich der FDP–Politiker vor dem Hintergrund ausgesetzt, daß ausdrücklich die Koalitionsvereinbarungen mit der CDU nicht zurückgenommen wurden. Zumpforts Begündung: Die Vereinbarungen seien ein Zeichen, „daß es eine liberale Erneuerung auch mit der CDU gibt“. Der schleswig–holsteinische CDU–Politiker Olderog warnte die FDP vor einem Zusammengehen mit der SPD. Für den Fall, daß die FDP ihre Koalitionsentscheidung bis zur Wahl offen lasse, werde die CDU „alles daran setzen, die Stimmen, die es bei der letzten Wahl aus dem CDU–Bereich zugunsten der FDP gab, zurückzuholen“. Der Kieler CDU–Fraktionsvorsitzende Kribben bedauerte den Schritt der FDP. CDU–Generalsekretär Geißler sagte zu dem Beschluß, die FDP würde sich nur selber schaden: „Mit Wackeln und Pendeln rutscht die FDP schnell unter fünf Prozent.“ Der CDU–Landesvorsitzende Stoltenberg kündigte an, er werde in der nächsten Woche „das Notwendige“ zu den Machenschaften Barschels sagen, die CDU sei dafür nicht verantwortlich: „Uwe Barschel war krank.“ Immer neue Wendungen nimmt unterdessen auch der Barschel– Untersuchungsausschuß. Am Donnerstag sagte eine zweite Sekretärin aus, daß Barschel ihr eine Falschaussage nahegelegt habe. Barschel habe sie genauso wie die Chefsekretärin Eichler gebeten, zu sagen, daß er nichts von der für den 9.September geplanten Überprüfung des Diensttelefons gewußt habe. Sie räumte weiter ein, daß es im Vorzimmer Barschels eine Kasse gab, aus der den Fahrern die Rezeptgebühr für Medikamente erstattet wurde. mtm