I N T E R V I E W „Die rechte und die linke Wange hingehalten“

■ Interview mit Helmut Lackmann, Betriebsabteilungsleiter im Stahlwerk von Krupp–Rheinhausen, wo er vor 20 Jahren als Schiffslöscher begann / „Es geht darum, zu einem Kampf zu finden, der auch Erfolg hat und letztlich die Konzerne trifft“

taz: Du hast mit einer heftigen Attacke gegen den Vorstand auf der Betriebsversammlung in der vergangen Woche für Aufmerksamkeit gesorgt. Für einen Abteilungsleiter waren das ungewöhnliche Töne. Helmut Lackmann: Wer Verantwortung für die Produktion und Aggregate übernimmt, der muß auch Verantwortung für die Menschen, die diese Aggregate bedienen, übernehmen und Stellung beziehen. Nichts anderes habe ich auf der Betriebsversammlung getan. Bei uns im Betrieb hat man ja an dem „Optimierungskonzept“ gearbeitet, wir haben daran geglaubt. Während wir uns bemüht haben, noch besser zu sein, als wir schon sind, hat man hinter unserem Rücken etwas ausgehandelt, von dem niemand was wußte, auch nicht der Betriebsrat. Deshalb war ich so empört. Glaubst du nach den Erfahrungen in Hattingen noch an einen Erfolg? Wer sich an einen solchen hochmodernen Standort wie Krupp–Rheinhausen heranmacht, der zu den besten in Europa zählt, der wägt das nicht nur wirtschaftlich nach den Kriterien der Gewinnmaximierung ab, sondern der hat natürlich auch die Belegschaft ganz genau analysiert. Und die Belegschaft von Krupp hat sich in der Vergangenheit nicht besonders prachtvoll gezeigt, sondern wider standslos die tollsten Sachen hingenommen, hat wirklich die rechte und die linke Wange hingehalten und hat sich mit allem abfertigen lassen, was von oben kam. Nie, oder doch selten, hat sich die Krupp–Belegschaft mit anderen Kollegen solidarisiert. Hier bei uns hat sich was geändert. Man sieht ja, daß andere Mittel angewendet werden als einfache Demos. Es geht darum, zu einem Kampf zu finden, der auch Erfolg hat und letztlich die Konzerne trifft. Wenn man bedenkt, daß die Leute die Lagerhaltung quasi abgeschafft haben, dann wird klar, daß jedem Stahlwerk nach eineinhalb Tagen Besetzung die Puste ausginge. Du brauchst noch nicht mal ein Stahlwerk besetzen, mit den 30 Toren, sondern es reicht, wenn du das eine Tor der Zulieferfirma besetzt, dann können die nach einem Tag ihren Arsch nicht mehr heben. Das, was die alten Bären hier so als Kampf bezeichnen, die können sich gar nicht vorstellen, was hier noch an Kampf stattfinden wird. Das kann sich bestimmt keiner vorstellen. Keine Resignation? Ich sag mal so: Je länger diese Sache hier dauert - ich habe das Ohr ziemlich nahe an der Belegschaft - , desto wahrscheinlicher ist es, daß sich die besonnenen Leute nach und nach absondern, und übrig bleibt eine radikale Minderheit, die ja jetzt schon laufend von vielen politischen Gruppen umgarnt wird, und die werden wahrscheinlich zu Mitteln greifen, die keiner mehr verantworten kann. Es ist wirklich kein Spaß mehr. Wie verhalten sich deine Betriebsleiterkollegen in diesen Tagen? Da ist Sympathie da, aber Stellung bezieht von denen leider keiner. Wahrscheinlich, um sich das letzte Fünkchen Hoffnung auf Rettung des eigenen Arsches zu erhalten. Befürchtest du keine Sanktionen - vielleicht etwas zeitversetzt? Ich hab jahrelang meinen Kopf dazu benutzt, um vor Ort Produktion zu machen mit meinen Kollegen, und es ist jetzt angesagt, das zu sagen, was die sagen wollen. Viele können sich eben nicht artikulieren und rechnen mit mir. Und ich tue, was sie erwarten. Du rechnest persönlich noch mit einer Perspektive bei Krupp? Wenn ich so weiter mache vielleicht bei Krupp, aber nirgendwo anders mehr. Das Interview führte Walter Jakobs Das Bürgerkomitee Rheinhausen ruft zur Solidarität mit den Stahlarbeitern auf. Solidaritätskonto: Sonderkonto Hilfe für die Krupp–Stahlarbeiter Rheinhausen, Sparkasse Duisburg, Kto, 25000 1930 BLZ 350 500 00