„Was wollen die Grünen wirklich?“

■ Münchner Landgericht verbietet dem bayerischem Innenministerium die weitere Verwendung des Partei–Emblems der Grünen / Behörde täuschte Bevölkerung mit getürktem Grünen–Flugblatt

Aus München Wolfgang Gast

Das Bayerische Innenministerium hat die Bürger bei der Volkszählung mit einem Flugblatt getäuscht. Zu diesem Schluß kam das Landgericht München I, das dem Bayerischen Innenministerium jetzt untersagte, weiter Presseerzeugnisse zu verbreiten, „in denen die Bezeichnung Die Grünen zusammen mit der Abbildung einer Sonnenblume in der Überschrift oder an einer anderen herausragenden Stelle blickfangartig angebracht ist“. Stein des Anstoßes ist ein Flugblatt des bayerischen Innenministeriums. Auf Recycling–Papier, mit grünem Fettdruck und dem Emblem der bayerischen Grünen warben die Ministerialen für die Volkszählung. „Was wollen die Grünen wirklich?“ hieß die Überschrift und die Gemeinde der zu Zählenden wurde unterrichtet, daß die Öko–Partei wider besseres Wissen und gegen geltendes Recht zum Zählboykott aufrufe. Die Grünen–Schelte gipfelte am Schluß des doppelseitig bedruckten Papiers (Auflage über eine Million) in der Bitte: „Gehen Sie den Grünen nicht auf den Leim! Machen Sie mit bei der Volkszählung 1987!“. Mit einer einstweiligen Verfügung wollten die Grünen im Mai nach dem Bekanntwerden eine weitere Verbreitung des Flugblattes unterbinden. Mit der Begründung, der Stichtag der Zählung liege drei Wochen zurück, wurde der Antrag „wegen Fehlens des Verfügungsgrundes“ am 10. Juni vom Münchner Landgericht verworfen. Das Ende der Zählung schob sich aber hinaus, und entgegen der Beteuerung des Ministeriums, die Aktion sei eingestellt, tauchten die beanstandeten Flugblätter wiederholt in den Erhebungsunterlagen auf. In seiner Urteilsbegründung erklärte jetzt das Gericht, die ganze Aufmachung des Flugblatts hätte lediglich darauf abgezielt, „den Eindruck zu erwecken, es handele sich um ein Flugblatt der Partei Die Grünen“. Das Ministerium habe dieses Mittel gewählt, um die Anhänger der Boykott–Partei anzusprechen. Damit habe sich das Ministerium aber gesetzwidrig die Aufmerksamkeit der Anhänger erschlichen. Die Täuschung „war auch erkennbar Ziel der Aufmachung“. Die Vertreter des Ministeriums weigerten sich weiterhin, eine Unterlassungserklärung für den zukünftigen Umgang mit dem Emblem der Grünen abzugeben. Die Richter konstatierten in ihrem Urteilsspruch „Wiederholungsgefahr“. (Geschäftsnummer 90515456/87 ph)