: Aufmarsch der „blockfreien“ Grünen
■ Am Vorabend des Grünen Spitzentreffens meldeten sich Grüne aus verschiedenen Regionen zu Wort / „Die politische Dominanz“ der verfeindeten Flügel soll aufgebrochen werden / „Appelle allein reichen nicht aus“
Aus Bonn Ursel Sieber
„Die Wahl zwischen dem Realo– und dem Fundihauptquartier akzeptieren wir genausowenig wie eine bloße Vermittlungsrolle zwischen beiden.“ So beginnt ein Aufruf zur „blockfreien“ Einmischung in den innergrünen Streit, der rechtzeitig zum grünen „Krisen–Gipfel“ veröffentlicht worden ist. Am heutigen Samstag kommen in Bonn alle Spitzengremien der Partei zusammen, um über die Krise der Grünen zu beraten. Dazu gehören der Bundeshauptausschuß, der Parteivorstand, die Bundestagsfraktion sowie die Landesvorstände. Der jetzt veröffentlichte Aufruf wurde vom Bremer Landesverband initiiert. Unterschrieben haben unter anderem die Bonner Abgeordneten Beck–Oberdorf, Antje Vollmer, Christa Nickels, Helmut Lippelt, Alfred Mechtersheimer, Ludger Volmer, die Hamburger Abgeordneten Thea Bock und Adrienne Göhler, die Bremer Abgeordneten Ralf Fücks und Horst Frehe sowie mehrere Mitglieder der Landesvorstände. Wie der „Anti–Spaltungsbrief“, den Vollmer und Nickels aus der Fraktion heraus angestoßen hatten, zielt auch dieser Aufruf darauf, den „Realo–Fundi–Streit“ aufzubrechen: „Die politische Dominanz“ beider Flügel, die gegenwärtig „die inhaltliche Definitionsgewalt über grüne Politik“ besäßen, müsse beendet werden. Appelle allein, so sagen die UnterzeichnerInnen selbstkritisch, reichen jedoch nicht aus. Entscheidend werde sein, „ob sich in Zukunft gegenüber diesen Polen unabhängige politische Positionen in der Partei formieren und laut artikulieren“. Die „Bipolarität“ des grünen Streits müsse durch eine „multipolare politische Landschaft“ abgelöst werden. Das müsse sich auch in einem neuen Bundesvorstand und im Bonner Fraktionsvorstand niederschlagen. Am Ende des Aufrufs findet sich ein konkreter Vorschlag: Zu zentralen Streitfragen der Grünen soll eine öffentliche Diskussion in den Kreis– und Landesverbänden organisiert werden, mit dem Ziel, die Streitpunkte auf demokratische Weise in der Partei zu klären. Als Themenbereiche werden u.a. die Gewaltfrage, der NATO–Austritt, die Modernisierung der Industriegesellschaft genannt. Auch die internen Strukturen der Partei sollen dazugehören. Was auf dem heutigen Treffen herauskommen soll, ist noch ungeklärt. Fest steht nur, daß dort keine Beschlüsse gefaßt werden sollen. Das Treffen war angesetzt worden, als der grün–interne Streit nach einer Israelreise von drei Abgeordneten bis hin zu Spaltungs–Drohungen eskaliert war.
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